Behutsam, präzise, eindringlich

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Schon die ersten Seiten zeigen, wie präzise und atmosphärisch dicht Alena Schröder zwischen mehreren Zeitebenen vermittelt. Die Passagen des Jahres 1945 wirken besonders eindringlich. Marlen, noch ein Mädchen, erlebt die letzten Kriegstage mit einer Intensität, die Schrecken und Verletzlichkeit spürbar macht. Die rätselhafte Wilma, die sie rettet und bei sich aufnimmt, verleiht dieser Ebene eine ambivalente, zugleich fesselnde Spannung.
Die ruhigeren Stränge um Evelyn 1989 und Hannah in der Gegenwart zeichnen sich durch feine psychologische Beobachtung aus. Alena Schröder erzählt hier zurückhaltender, aber mit großer Treffsicherheit für Zwischentöne und seelische Bewegungen. So kenne ich die Stärke der Autorin bereits aus früheren Werken. Gerade diese behutsame Erzählweise lässt die Verbindungen zwischen den Figuren allmählich hervortreten und setzt die historischen Erfahrungen in ein vielschichtiges Echo zur Gegenwart.
Besonders überzeugt hat mich die Atmosphäre. Warm, nuanciert und getragen von einem souveränen Sprachgefühl. Jede Figur erhält eine eigene, klar konturierte Stimme, sodass die Perspektivwechsel organisch wirken. Die Mischung aus Familiengeschichte, Kriegserbe, Kunstmotiv und persönlicher Neuorientierung besitzt eine anhaltende Sogwirkung.
Das Cover ist kunstvoll gestaltet, trifft meinen persönlichen Geschmack aber nur bedingt. Die Leseprobe selbst jedoch weckt große Erwartungen und das Gefühl, dass sich hier eine vielschichtige Geschichte entfaltet, die man unbedingt weiterverfolgen möchte.