Es tut mir leid, dass Du so fühlst.

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ismaela Avatar

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Dieser Satz beschreibt im Prinzip die gesamte Konstellation dieser Familie - leider geht das durch den völlig unpassenden deutschen Titel völlig unter.

Beschrieben wird die konfliktreiche Beziehung der beiden Zwillingsschwestern Alice und Hanna, dicht umschwärmt von deren Mutter, dem Bruder und dem (abwesenden) Vater.
Jede und jeder in dieser Familie hat sein Päckchen zu tragen, niemand scheint wirklich komplett unbeschwert durchs Leben gehen zu können. Da ist die Mutter, die ein Schattendasein neben ihrer psychisch schwer kranken Schwester fristet, bis sie sich durch Studium und Arbeit etwas emanzipieren kann und doch immer wieder toxische Entscheidungen trifft, bis sie selbst, als verlassene Frau, ein toxisches Verhalten an den Tag legt, das sie vor allem an ihren Kindern auslässt. Der Sohn wird vergöttert, während die beiden Zwillingsschwestern oft die Spannungen der Mutter mit ausbaden müssen. Vor allem Alice, die ruhigere der Schwestern wird von der Mutter in ein ungutes Mutter-Kind-Verhältnis eingespannt, bei der viel über schlechtes Gewissen und verletzte Gefühle der Mutter läuft. Hanna ist die impulsivere der beiden, kommt ein bisschen nach der "verrückten" Tante und kapselt sich relativ früh ab.
Nach einem Eklat bricht der Kontakt der Schwestern ab; erst auf der Beerdigung der Tante treffen sie sich wieder.

Zuerst war ich von dem Buch sehr angetan, denn obwohl die Grundgeschichte doch etwas ernster ist, schafft es die Autorin durch grotesk absurde und unfreiwillig komische Szenen viel Humor und Wärme in das Ganze zu bringen. Bald viel es mir aber etwas schwerer, weiterzulesen. Ich habe selbst eine Zwillingsschwester und erkannte mich in so vielen Dingen wieder - die Ablehnung durch die Schwester und das verzweifelte Bemühen, die Liebe und Zuneigung doch noch zu bekommen (und ich verrate jetzt nicht, auf welcher Seite ich stand), das Bemühen um Normalität, das Wissen um eine ruinierte Situation.

Ich glaube, wenn man nicht in dieser Konstellation aufgewachsen ist, kann man nicht im Ansatz verstehen, wie extrem eine Zwillingsbindung ist und dass man sich dies nicht aussucht. Die Schuldzuweisungen und Schuldgefühle, die ständige Begleiter sind, die Verletzungen, aber auch diese innige Verbundenheit, die nicht entsteht, sondern immer schon da ist... Mich hat dieses Buch tief berührt.

Auch wenn es ab dem zweiten Drittel ein bisschen abfällt - der Schluss hat mich wieder ein bisschen aufgemuntert, und ich überlege, ob ich dieses Buch meiner Schwerster schenke.
Für mich ein Lesehighlight dieses Jahr.