Psychologisch spannend

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„Meine bessere Schwester“ von Rebecca Wait erschien diesen Sommer unter dem Originaltitel „I’m sorry you feel that way“ zuerst im englischsprachigen Raum und anschließend auch bei uns in Deutschland.
Die Leseprobe war bereits vielversprechend. Der Schreibstil ist nüchtern und locker, doch genau diese Nüchternheit erzeugt die teilweise sehr dramatische Stimmung. Ich muss zugeben, dass dieses Buch etwas außerhalb meiner Komfortzone ist. Meistens lese ich Jugendbücher und Bücher für junge Erwachsene, meistens mit fantastischen Elementen oder zumindest einer Romanze, auf die sich fokussiert wird. Ein Roman, der sich hauptsächlich auf dysfunktionale Familienstrukturen konzentriert, ist mir bis jetzt noch nicht über den Weg gelaufen.

Doch fühlt es sich an dieses Buch zu lesen?
Das ist schwer zu beschreiben, da es ein Gefühl in mir auslöst, was bis jetzt nur Erin Morgenstern mit ihren Romanen „Der Nachtzirkus“ oder „das sternenlose Meer“ geschafft hat. Ich versuche es am besten wie folgt zu beschreiben: Die Geschichte passiert einfach. Ich als Leserin durfte dabei aus der zweiten Reihe zu gucken. Es wurde kein großer Spannungsbogen gezogen und es wurde auch nicht mit Cliffhangern gearbeitet; Kapitel um Kapitel erfahren wir mehr rund um die Geschichte um Hannas und Alices Familie. Wir lernen über ihre Vergangenheit, ihre Gegenwart und ihre Zukunft. Dabei bekommen wir noch Einblicke in das Leben der Mutter und des Bruders. Und während die Geschichte vor sich hin plätschert und einfach nur erzählt wird, sorgt Waits Schreibstil dafür, dass man dabei bleiben möchte. Man möchte wissen, wie es mit der Familie weiter geht. Man möchte wissen, wie die Geschwister auf ihre Mutter reagieren. Man möchte sehen, wie die Mutter wieder auf den Alltag ihrer Kinder eingeht.
Über die Dynamik zwischen der Mutter und den beiden Töchtern könnte ich ganze Essays aus einer pädagogischen und psychologischen Sicht schreiben. Es hat mir jedes Mal einen Stich verpasst, wenn sie ihre Kinder wieder emotional erpresste. Interessant war dabei zu sehen, wie Alice und Hanna damit umgegangen sind und welche Bewältigungsstrategien sie sich zugelegt haben.

Was beschreibt dieses Buch am besten?
Ganz einfach: Der Originaltitel.
„I’m sorry you feel that way” heißt zu Deutsch „Es tut mir leid, dass Du so fühlst“. Ein Satz der Mutter, der mich immer wieder getroffen hat. Zwischen den Zeilen ist nämlich immer wieder zu lesen, dass die Mutter bemerkt, dass etwas schiefgelaufen ist, jedoch fehlt ihr die nötige Selbstreflexion und Wahrnehmung, um sich einzugestehen, dass auch sie Teil des Problems ist.
Ich hatte Angst, dieses Buch mit einem komischen Gefühl im Bauch zu beenden, da es teilweise wirklich beengend war. Jedoch war ich am Ende voller Hoffnung und muss zugeben, dass ich es mochte, durch die Fenster der Häuser der Familie um Hanna & Co zu gucken und dabei mitzuerleben, wie Hanna und Alice als Schwestern wieder zueinander finden.