Mädchenfreundschaft

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Elena gerät nicht in Panik, als sie vom Verschwinden ihrer besten Freundin erfährt, die sie seit ihrer Kindheit kennt. Es ist ein absolutes, ein gründliches Verschwinden, ohne jede Spur. Selbst Elena hat nur ihre Erinnerungen, die sie aufzuschreiben beginnt.
Im Mittelpunkt dieses ersten Bandes der neapolitanischen Saga steht die Kindheit und Jugend der beiden Mädchen Elena Greco und Raffaella Cerullo, genannt Lila, und das Auf und Ab ihrer Freundschaft. Dabei entwirft die Autorin, oder sei es auch ein Autor oder gar eine Gruppe von Autoren, keiner weiß es, ein facettenreiches, buntes Panorama auf das Leben der Menschen in den fünfziger Jahren in einem kleinen, ärmeren Stadtviertel Neapels. Ein Personenverzeichnis stellt alle Familien am Beginn des Romans vor. Doch bald sind sie einem so vertraut, als wäre man ihnen begegnet.
Elenas Vater arbeitet außerhalb des Stadtviertels als Pförtner in der Stadtverwaltung. Er ermöglicht seiner fleißigen, klugen Tochter mit Hilfe der Lehrerin weitere Schulen zu besuchen. Doch der hochintelligenten Lila, deren Vater ist Schuster im Rione, bleibt diese Möglichkeit, trotz ihres Kampfes, bei dem sie zuletzt von ihrem Vater aus dem Fenster geworfen wird, verwehrt. Aber sie findet Wege, um dennoch weiter zu lernen und ihre Kreativität auszuleben. Aber immer bleibt sie innerhalb der Grenzen des Rione. Dennoch gelingt es ihr, wenn auch auf Umwegen, ihre Ziele zu verfolgen. Die Entwicklung der Erzählerin nimmt mit dem Besuch er weiterführenden Schule und des Gymnasiums einen anderen Weg. Doch sie fühlt ihr Leben auf untrennbare Weise mit dem ihrer Freundin verwoben: “… dass sie das hatte, was mir fehlte, und umgekehrt, in einem fortwährenden Spiel der Wandlungen und Kehrtwendungen, die uns, mal fröhlich, mal schmerzhaft, einander unentbehrlich werden ließen.“ Das Cover verdeutlicht diesen Gedanken in dem Muster der Kleider der beiden Frauen auf der Terrasse, das sich auf magische Weise vermischt und ineinander übergeht. Doch manchmal liegen Welten zwischen ihnen und die Kluft scheint unüberbrückbar.
Ferrante erzählt sehr detailreich in einer wunderbaren Sprache. Ich wurde beim Lesen wie von selbst in meine eigene Kindheit mit meinen Freundinnen zurückgezogen. Vielleicht ist das auch ein Grund für das ausbrechende #FerranteFever!
Bisher sind die ersten drei Romane von Elena Ferrante auf Deutsch erschienen. Sie waren eine Art Geheimtipp und sind längst vergriffen.
Die letzte Passage dieses ersten Bandes ließ mich so erstaunt zurück, dass ich das Erscheinen des nächsten Band keinesfalls verpassen werde. Auch wenn der Roman gegen Ende ein paar Längen aufweist.