Viel Lärm um nichts!

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern Leerer Stern
amadea Avatar

Von

Nach Verzehr des literarischen Häppchens, vulgo Leseprobe, habe ich mich blitzartig in den Ferrante-Fanclub eingereiht, fasziniert meinen Leseeindruck geschrieben und mich in geradezu kindischer Manier auf das Rezensionsexemplar gefreut. Das Buch kam. Die Lesereise ins Neapel der 1950er Jahre begann…

Uff. Uff deswegen, weil ich nun also eine Rezension über einen Roman schreiben soll, der nach meinem Dafürhalten mittlerweile zu Tode rezensiert wurde. Wie unverblümt darf man seine Meinung kundtun, ohne sich als gänzlich arrogant zu outen? Um dieses Buch ist ein Mega-Hype entstanden, den ich nicht nachvollziehen kann. Die Medien haben es gepusht „bis geht nicht mehr“. Die Kritiker überschlagen sich vor Begeisterung. Ja selbst die schreibende Konkurrenz wie etwa ein Jonathan Frantzen stößt ins gleiche Horn.

Aufgrund meiner völlig konträren Einschätzung stelle ich mir erstaunt die Frage: Verkenne vielleicht ICH die Größe und Bedeutung von „Meine geniale Freundin“? Eigentlich traue ich mir schon zu, ein exzellentes Buch von einem durchschnittlichen zu unterscheiden.

Was sich hier aber ganz offensichtlich scheidet, sind die Geister. Die einen, die es über den grünen Klee loben, die anderen (die so wie ich) damit relativ wenig anfangen können. Ich bemängle die Länge und den simplen Stil, das Ausufern der Handlungen, vor allem schwirren mir hier zu viele (teils nur angestreifte) Personen umher, die es bisweilen schwer machen, sich zu orientieren. Das eingefügte fünfseitige Namensregister macht die Sache nicht besser. sondern ist notwendig, um sich bei all dem Gewirr noch einigermaßen zurecht zu finden.

Nein, das Buch hat mich nicht überzeugt. Es ist überfrachtet und dadurch stellenweise ermüdend. Das verpackte Szenario spiegelt sicherlich ein Stück Geschichte im Süden Italiens wider. Trotzdem bleibe ich auf meiner Unzufriedenheit sitzen, weil ich mir unter „Freundschaft“ anderes vorstelle als den augenscheinlichen Konkurrenzkampf. Meine Erwartungen waren wohl zu hoch gesteckt, denn ich hätte im Vorfeld schwören können, das mich ein literarisches Wunder erwartet. Fehlanzeige!

Fazit:
Der Erfolg des Buches beruht meinem Dafürhalten nach nicht auf den sprachlichen Leistungen, sondern auf einer PR-Maschinerie, die wie geschmiert läuft sowie dem bisher ungelüfteten Mysterium, wer hinter der Person „Elena Ferrante“ steckt. Das nenne ich einen genialen Geniestreich, ansonsten blieb mir die Genialität der genialen Freundin verborgen.

In unseren Breiten ist bislang nur Band 1 der neapolitanischen Saga erschienen. Es bleibt also ein Hoffnungsschimmer, dass mich – nach dem holprigen Start - die nächsten drei Teile in ihren Bann ziehen. Bekanntlich stirbt die Hoffnung ja zuletzt…