Bewegende und fesselnde Familiengeschichte
In ihrem vielbeachteten, im Jahr 2022 erschienenen Buch "Meine Schwester", widmet sich Bettina Flitner dem Leben ihrer Schwester, die 2017 freiwillig aus dem Leben geschieden ist. Nun hat der Verlag Kiepenheuer & Witsch "Meine Mutter", das neue Werk der Autorin, veröffentlicht, in dem diese nicht nur den Selbstmord ihrer Mutter thematisiert, sondern auch - basierend auf zahlreichen Gesprächen und schriftlichen Erinnerungen ihres Vaters, des Großvaters, der Urgroßmutter und einer Großtante sowie Briefen und Zeitdokumenten - die Geschichte ihrer Familie erzählt.
Die Ich-Erzählerin Bettina befindet sich anlässlich einer Lesereise in Celle, dem Ort, in dem sie aufgewachsen ist, und sucht spontan den Friedhof auf, auf dem vor 40 Jahren ihre Mutter Gisela, als Kind "Gila" genannt, beigesetzt wurde. Ein Sparbuch und ihr bisher unbekannte Fotos, die kurz vor dem Suizid ihrer Mutter entstanden sind, veranlassen sie dazu, über sie nachzudenken. Wer war ihre Mutter, und warum hat sie sie vergessen? Sie beschließt, sich auf Spurensuche zu begeben und nach Wölfelsgrund im damaligen Niederschlesien zu fahren, wo Gisela 1936 geboren wurde und bis 1946 lebte ...
Bettina Flitners Roman führt uns zurück bis ins Jahr 1884, als ihr Ururgroßvater Heinrich im Luftkurort Wölfelsgrund, am Fuß des Riesengebirges, ein Sanatorium für Nervenkranke errichtete. Im benachbarten Doktorhaus lebte Urgroßvater Richard mit seiner Frau Elfriede und den fünf Kindern, später Bettinas Großvater Api und die Großmutter Ami mit ihren sechs Kindern. Eines der Kinder war Gisela, die Mutter der Autorin. Als Folge des Zweiten Weltkriegs musste die Familie 1946 ihre Heimat verlassen und baute sich in Westdeutschland ein neues Leben auf.
Die Geschichte ist in beeindruckend schöner Sprache auf mehreren, sich abwechselnden Zeitebenen erzählt und liest sich sehr flüssig. Nach und nach blättert sich die Vergangenheit einer Familie auf, in der es über mehrere Generationen Höhen und Tiefen gab - und mehrere Selbsttötungen. Wir lernen die kleine Gila kennen, die bereits früh mit den Familientragödien konfrontiert wird, und wir erleben die erwachsene Gisela, die mit 21 Jahren den Juristen Hugbert heiratet. Das Paar bekommt zwei Töchter, doch die Ehe ist nicht glücklich. Hugbert hat das Gefühl, nicht mit Gisela reden zu können, es ist keine Beziehung auf Augenhöhe. Es gibt Affären und Streitigkeiten, und Gisela leidet zunehmend unter schweren Depressionen. Glücklich ist sie immer dann, wenn sie allein nach Sylt fahren kann.
Ich habe das Buch sehr gern gelesen, es hat mich fasziniert, berührt und betroffen gemacht. Sehr gut gefallen hat mir, dass Bettina Flitner eine eher sachliche Erzählweise gewählt hat. Sie stellt Fragen, aber sie erhebt keine Vorwürfe, keine Schuldzuweisungen. Manches ist fast nüchtern erzählt, und doch sind ihre Ausführungen sehr bewegend.
Die Thematik der Vertreibung durch die Russen und das polnische Militär war mir bisher nur oberflächlich bekannt. Die Familie der Autorin musste innerhalb von 24 Stunden ihre Heimat verlassen und die beschwerliche 18-tägige Reise antreten, die sie durch zerbombte Städte und zerstörte Landschaften nach Celle führte. Diese Folgen des Zweiten Weltkriegs bekamen damals sehr viele Menschen zu spüren, allein aus Schlesien sind nach Kriegsende mehr als drei Millionen Menschen geflohen bzw. wurden vertrieben.
Absolute Leseempfehlung für das mit großer Offenheit verfasste sehr persönliche Buch, in dem die Autorin ihre Familiengeschichte verarbeitet und einen Weg gefunden hat, sich nachträglich mit ihrer Mutter auszusöhnen.
Die Ich-Erzählerin Bettina befindet sich anlässlich einer Lesereise in Celle, dem Ort, in dem sie aufgewachsen ist, und sucht spontan den Friedhof auf, auf dem vor 40 Jahren ihre Mutter Gisela, als Kind "Gila" genannt, beigesetzt wurde. Ein Sparbuch und ihr bisher unbekannte Fotos, die kurz vor dem Suizid ihrer Mutter entstanden sind, veranlassen sie dazu, über sie nachzudenken. Wer war ihre Mutter, und warum hat sie sie vergessen? Sie beschließt, sich auf Spurensuche zu begeben und nach Wölfelsgrund im damaligen Niederschlesien zu fahren, wo Gisela 1936 geboren wurde und bis 1946 lebte ...
Bettina Flitners Roman führt uns zurück bis ins Jahr 1884, als ihr Ururgroßvater Heinrich im Luftkurort Wölfelsgrund, am Fuß des Riesengebirges, ein Sanatorium für Nervenkranke errichtete. Im benachbarten Doktorhaus lebte Urgroßvater Richard mit seiner Frau Elfriede und den fünf Kindern, später Bettinas Großvater Api und die Großmutter Ami mit ihren sechs Kindern. Eines der Kinder war Gisela, die Mutter der Autorin. Als Folge des Zweiten Weltkriegs musste die Familie 1946 ihre Heimat verlassen und baute sich in Westdeutschland ein neues Leben auf.
Die Geschichte ist in beeindruckend schöner Sprache auf mehreren, sich abwechselnden Zeitebenen erzählt und liest sich sehr flüssig. Nach und nach blättert sich die Vergangenheit einer Familie auf, in der es über mehrere Generationen Höhen und Tiefen gab - und mehrere Selbsttötungen. Wir lernen die kleine Gila kennen, die bereits früh mit den Familientragödien konfrontiert wird, und wir erleben die erwachsene Gisela, die mit 21 Jahren den Juristen Hugbert heiratet. Das Paar bekommt zwei Töchter, doch die Ehe ist nicht glücklich. Hugbert hat das Gefühl, nicht mit Gisela reden zu können, es ist keine Beziehung auf Augenhöhe. Es gibt Affären und Streitigkeiten, und Gisela leidet zunehmend unter schweren Depressionen. Glücklich ist sie immer dann, wenn sie allein nach Sylt fahren kann.
Ich habe das Buch sehr gern gelesen, es hat mich fasziniert, berührt und betroffen gemacht. Sehr gut gefallen hat mir, dass Bettina Flitner eine eher sachliche Erzählweise gewählt hat. Sie stellt Fragen, aber sie erhebt keine Vorwürfe, keine Schuldzuweisungen. Manches ist fast nüchtern erzählt, und doch sind ihre Ausführungen sehr bewegend.
Die Thematik der Vertreibung durch die Russen und das polnische Militär war mir bisher nur oberflächlich bekannt. Die Familie der Autorin musste innerhalb von 24 Stunden ihre Heimat verlassen und die beschwerliche 18-tägige Reise antreten, die sie durch zerbombte Städte und zerstörte Landschaften nach Celle führte. Diese Folgen des Zweiten Weltkriegs bekamen damals sehr viele Menschen zu spüren, allein aus Schlesien sind nach Kriegsende mehr als drei Millionen Menschen geflohen bzw. wurden vertrieben.
Absolute Leseempfehlung für das mit großer Offenheit verfasste sehr persönliche Buch, in dem die Autorin ihre Familiengeschichte verarbeitet und einen Weg gefunden hat, sich nachträglich mit ihrer Mutter auszusöhnen.