Die Mutterrückblende

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wilde hummel 1 Avatar

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Bettina Flitner hat nach einer Biografie über ihre Schwester und deren Selbsttötung nun den Faden aufgenommen, das Leben ihrer Mutter zu durchleuchten. Nachdem ihre Mutter bereits vor 40 Jahren in Celle begraben wurde, ebenfalls nach einer Selbsttötung, begibt sich Bettina Flitner auf die Spurensuche. Sie geht zurück in das damalige Nordschlesien und trifft dort die Mutter als Mädchen Gila. Sie wächst als 'niedliche Prinzessin' im großen Sanatorium im Luftkurort Wölfelsgrund auf und ist umgeben von Zuwendung und Freundlichkeit. Nach dem Zusammenbruch und Ende des 2. Weltkrieges dann der Bruch, die Vertreibung aus der heilen Welt. Die Prinzessin verliert ihre Krone und ihre Leichtigkeit und ist ein Flüchtlingskind, das nicht wirklich im neuen Leben glücklich wird. Die Ehe ist von Treulosigkeit geprägt und die Mutter steht immer öfter am Fenster und schaut ins Nichts. Ob der Wechsel zwischen Lebensfreude und Depression im Zusammenhang mit dem traumatisch erlebten Heimatverlust steht oder eine familiäre Vorbelastung ist und Selbsttötung eine adäquate Lösungsstrategie im sich endlos ausdehnenden schwarzen Raum ist, bleibt unbeantwortet. Ist auch nicht die zentrale Frage, vielmehr steht im Mittelpunkt, was weiß eine Tochter wirklich über ihre Mutter, wieviel kann sie in der Rückblende besser verstehen. Bettina Flitner reiht sich mit ihrem Roman ein in eine Reihe von ähnlichen Muttererforschungen wie Caroline Peters 'Ein anderes Leben' oder Daniela Dröscher 'Lügen über meine Mutter' oder Iris Sayram 'Für euch' und viele andere und im Vergleich erschien mir Frau Flitners Mutterbuch zwar gründlich eruiert, sachlich nüchtern beschrieben, aber trotzdem fehlte mir die persönliche Betroffenheit der Tochter und ihre Empathie.