Familie zwischen Geborgenheit und Drama

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violettera Avatar

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Dieses Buch hat mich gepackt. Die Autorin hatte nach dem Suizid ihrer Mutter vor 39 Jahren die Erinnerung an sie erfolgreich verdrängt. 33 später nahm sich Bettina Flitners Schwester das Leben. Deren Suizid hat sie in dem Buch Meine Schwester verarbeitet. Ausgelöst durch verschiedene erstaunliche Zufälle geht sie nun dem Leben ihrer Mutter auf den Grund, besucht die Orte in Schlesien und Celle, wo die Mutter Kindheit und Jugend verbrachte, liest alte Tagebücher aus der Familie, stellt Fragen und erinnert sich. So entwirft sie ein spannendes Bild der mütterlichen Familie, besonders der Frauen, das etwa ein Jahrhundert umfasst. Ihr gelingt nicht nur ein anschauliches Porträt, nahezu ein Psychogramm der Familie, sondern auch ein Zeit- und Sittengemälde. Es umfasst zwei Weltkriege, Vertreibung und Flucht aus der geliebten Heimat, Absturz der angesehenen Familie in die Namenlosigkeit verarmter Flüchtlinge, die Zeit des Wiederaufbaus im Westen. Die Autorin lässt uns ihre Recherchen ebenso erleben wie zahlreiche sehr lebendig geschilderte Rückblenden. Vieles ist nicht nur individuelles Schicksal, unzählige Frauen dieser Generationen haben Ähnliches erlebt, mussten das Scheitern ihrer Wünsche und Sehnsüchte verarbeiten. Ich bin erstaunt über viele Parallelen zum Leben meiner Mutter und Großmutter. Dazu faszinieren mich der Aufbau des Romans, die klare Sprache, die lebendigen Bilder. Sehr lesenswert!