Gestotzt oder gesutert? Auf jeden Fall ein Pageturner!

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thirteentwoseven Avatar

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Mit Melody ist Martin Suter wiedermal ein richtig gutes Buch gelungen. Die Geschichte um den betagten Dr. Stotz, der in seinen Hochjahren zu den einflußreichsten Bürgern der Schweiz gehörte, startet mit angenehm kurzen Kapiteln und nimmt bis zum überraschenden Ende stetig an Spannung zu. Im letzten Drittel konnte ich sogar nicht mehr aufhören zu lesen. Ich wollte endlich die Auflösung wissen. Das Buch ist ein richtig spannender Pageturner.

Der Plot: Dr. Stotz, einst ein hochangesehener Politiker, Militär, Kulturmäzen, Stripenzieher und Netzwerker, will kurz vor seinem Tod noch einmal Einfluß nehmen. Er will bestimmen, wie die Nachwelt ihn zu sehen hat. Dazu stellt er den jungen, auf Geld angewiesenen Juristen Tom ein. Dieser soll die unzähligen Akten und Daten seines Lebens sortieren und bewerten. Nur die wirklich wichtigen und guten Taten sollen dabei in seinen posthumen Lebenslauf einfließen.
Der junge Tom, der eigentlich immer unabhängig sein wollte, wird immer tiefer in die Lebensgeschichte des alten Stotz hineingezogen. Er zieht in die Villa von Dr. Stotz ein und passt sich dessen Tagesablauf und Vorstellungen an. Schon bald merkt er, dass für Stotz nicht seine beruflichen Erfolge, sondern seine große Liebe "Melody" das wichtigste im Leben war und ist. Überall hängen Bilder der kurz vor der Hochzeit Verschwundenen und sind Reliquien aufgebaut. In den mittäglichen, mit viel Alkohol angeheizten Plauderstunden erzählt Dr. Stotz Tom die Geschichte seiner Liebe zu Melody und dessen trauriges Ende.
Doch nach dem überraschend schnellen Tod von Dr. Stotz kommen Tom Zweifel an der Geschichte. Was ist wirklich mit Melody geschehen? Stimmt die Geschichte von Stotz oder war alles ganz anders? Das Rätsel um ihr Verschwinden lässt ihm keine Ruhe.

Suter baut den Plot ruhig und unaufgeregt auf. Doch schon bald entwickelt sich erste Spannung. Wie in "Tausend und einer Nacht" wartet der Leser auf die nächste Plauderstunde zwischen Stotz und Tom, in denen langsam die tragische Liebesgeschichte erzählt wird- aus der Sicht von Stotz und wie er sie der Nachwelt erhalten will.
Da verstirbt Stotz plötzlich, wesentlich eher als erwartet. Zusammen mit der Großnichte Verstorbenen versucht Tom dem Geheimnis um Melody auf die Spur zu kommen. Verschiedene Wendungen und Sachzwänge zögern die überraschende Lösung immer wieder hinaus und erzeugen bis zum Ende Spannung auf höchstem Niveau.

Der Roman besticht nicht nur durch seine Sogkraft, sondern auch durch immer wieder eingestreute, verschiedene Lebensweisheiten und Einsichten, die nur ein so lebenserfahrener Autor wie Suter vorbringen kann, ohne dabei zu langweilen. Fragen wie "Was macht einen eigentlich glücklich?" , "was zählt am Ende wirklich?", "was ist die Wahrheit, was die PR?", "kann man seinen eigenen Erinnerungen trauen?" und "hat nicht jeder Mensch eine dunkle Seite?" ziehen sich durch das ganze Buch. Es werden verschiedene, falsche Fährten gelegt. Bis etwa zur guten Mitte des Buch und auch noch danach hätte sich die Geschichte ganz anders entwickeln können. Ich war mehrfach auf dem Holzweg, -und das kommt eigentlich ziemlich selten vor.

Fazit: "Melodie" ist ein gelungener Pageturner mit Niveau. Ein geschriebener Hitchock. Dazu hintergründig und tragisch. Eine richtig gute Geschichte oder ein wirkliches Drama - stilvoll verpackt und spannend aufbereitet. Halt ein guter Suter! Für mich 5 Sterne wert.