Schicht für Schicht freigelegt

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
zebra Avatar

Von

Seit ich vor Jahren auf Martin Suter aufmerksam gemacht wurde, verfolge ich sein Werk und bis auf zwischenzeitliche Schwächephasen war er eigentlich immer ein Garant für geistreiche Unterhaltung. Wo steht er nun?

Die Geschichte handelt von Tom Elmer: Er braucht einen Job und den bekommt er bei Dr. Peter Stotz, einem ehemaligen Nationalrat, der in seiner Villa über dem Zürichsee auf den Tod wartet und seine Angelegenheiten geregelt wissen will. Die Villa ist gepflastert mit Bildern von Melody, Stotz‘ vor mehr als 40 Jahren verschwundener Verlobter. Sie war jahrelang Stotz‘ Antrieb, weil er über ihren Verlust nicht hinwegkam. Tom macht sich auf die Suche und ihm kommen Zweifel …

In mancher Hinsicht mag „Melody“ der Suche Mikael Blomqvists nach einer Industriellen-Erbin gleichen, in anderer Suter selbst, am ehesten wohl „Small World“. Doch das war’s auch schon mit den Ähnlichkeiten. Denn „Melody“ ist eigenständig, es geht um die große Liebe eines (alten) Mannes und dessen Suche nach ihr. Warum will er sich nicht mit ihrem Verschwinden abfinden, war Stotz der Grund für ihr Verschwinden und ist das wiederum der Grund dafür, dass Tom Stotz‘ Lebensgeschichte etwas aufhübschen soll? Die Geschichte ist zwar kein Krimi, entwickelt aber einen diesem Genre nicht unähnlichen Sog bzw. Reiz: Was ist da passiert? Man will es schlicht wissen und kann kaum mehr beim Lesen pausieren. Zugleich will man nicht, dass man zu schnell an das Ende des Buches gelangt. Schicht für Schicht, einem Restaurator gleich, legt Suter das Bild von Melodys und Stotz‘ Geschichte frei. All das tut er in der für ihn üblichen ziselierten Sprache so auf den Punkt, dass er keine unnötigen Seiten schreibt – das hat Suter nicht mehr nötig, einmal mehr also geistreiche Unterhaltung.