Geduld

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mike nelson Avatar

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Geduld. Die muss man wohl haben. Zoe Beck lässt ihre Leserschaft bis kurz vor Schluss warten mit der großen Erklärung. Die Frage, die sich mir im Nachgang stellt ist die folgende: Ging es der Autorin darum, die Leser:innen es sich genauso mühevoll zusammenreimen zu lassen, scheinbar Unverbundenes nebeneinander aushalten zu müssen, wie es der Protagonistin Harriet im Verlaufe von "Memoria" ergeht (es wird zudem nur aus deren Perspektive erzählt)? Dann ist das Vorhaben gelungen. Zoe Beck siedelt ihre Story in der nahen Zukunft an; die Wälder brennen, die gesellschaftliche Lage hat sich zugespitz, die Kluft zwischen Besitzenden und dem Präkariat ist gewachsen. Harriet hält sich mit einem Job bei einem Wachdienst über Wasser, aber immer wieder tauchen Erinnerungen in ihr auf, die ihr fremd und nicht zu ihrer Lbenensgeschichte gehörig erscheinen. Als sie dann bei einem Brand eine ältere Frau rettet, die ihr irgendwie bekannt vorkommt, kommt einiges ins Rollen und Harriet begibt sich auf die Suche nach ihrer wahren Vergangenheit - welchen Erinnerungen kann sie trauen? Dass so ganz nebenher Harriets Vater an einer Demenz leidet und in einer Spezialeinrichtung untergebracht ist, also auch hier die Themen 'sich erinnern und vergessen' eine zentrale Rolle spielen, gibt dem Thriller noch einen Bonuspunkt, regt es doch an, über die Bedeutung des Erinnerungsvermögens und das Identitätsgefühl nachzudenken. Auch wird immer wieder angedeutet, inwieweit eine KI nicht nur in der Lage sein könne, dem demenziellen Erinnerungsverlust etwas entgegenzusetzen, sondern auch künstliche Erinnerungen zu erschaffen, damit der Mensch auf 'ein glückliches Leben' zurückblicken kann und nicht den Traumata der Vergangenheit ausgesetzt ist. Genau hierzu hätte ich mir in "Memoria" dann aber doch den einen oder anderen Exkurs gewünscht - das hätte dem Spannungsbogen des Thrillers keinen Abbruch sondern vielmehr gut getan.