Unerwartet und sehr, sehr spannend

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heinoko Avatar

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Das Cover zeigt gewaltiges Feuer und Hitzeentwicklung. Dies und auch die kurzen Angaben auf der Buchrückseite ließen mich mit völlig falschen Erwartungen in das Buch starten. Denn mit Science Fiction in seiner per definitionem eigenen Art hat der Thriller nicht wirklich etwas zu tun. Eher sehe ich den Roman als eine Gratwanderung zwischen unserer vertrauten Welt und einem Blick über diesen Rand hinaus in die nahe mögliche Zukunft. Und so kommt bei der Lektüre immer wieder neu die Frage auf, was Dystopie ist und was die Realität, die uns schneller einholen wird als wir denken können.
Harriet gerät unerwartet in eine Feuersbrunst vor den Toren Frankfurts und rettet in letzter Sekunde mit Hilfe zweier unbekannter Frauen eine ältere Dame aus ihrem brennenden Haus. Dass Harriet, die nie autofahren konnte, es schafft, alle Personen in rasender Fahrt in einem Auto vor dem Feuer in Sicherheit zu bringen, ist ein erstes Rätsel, das Harriet und den Leser verwirrt. Und so verwirrt uns die Autorin weiter durch aufblitzende Erinnerungen und Träume, die Harriet unverständlich und unerklärlich sind. Doch Harriet macht sich beharrlich auf den Weg, sich selbst auf die Spur zu kommen.
Im Präsens geschrieben, wird die Handlung und damit der Leser in großem Tempo durch die Seiten getrieben. Mich hat der Thriller völlig überrascht. Denn Zoe Beck spielt mit unseren Ängsten genauso wie mit allen denkbaren Möglichkeiten der Manipulation. Das menschliche Gehirn ist noch lange nicht wirklich erforscht. Und es gibt so viele denkbare Wege, dystopisch oder nicht, unsere Gedanken, unsere inneren Bilder, unsere Erinnerungen manipulativ zu steuern, zu löschen, neu zu programmieren. Die Suche nach ihrer eigenen Vergangenheit, auf die sich Harriet unverdrossen und mutig macht und dabei in Lebensgefahr gerät, ist sehr, sehr spannend erzählt. Ich las das Buch in kürzester Zeit durch, getrieben von der Erwartung eines fulminanten Endes, einer Aufklärung mit einer überraschenden Wendung.
Doch leider beraubte mich die Autorin dieser Hoffnung. Denn das Ende ist vorhersehbar und allzu glatt und wohlgefällig. So glatt und wohlgefällig, wie auch die Hauptperson geschildert wird. Harriet, eine Pianistin, ein Wunderkind – diese hätte eine tiefergehende psychologische Schilderung verdient. Und so wären die weiteren Entwicklungen auch nicht so oberflächlich geblieben. Hier hat die Autorin, wie ich finde, das Potenzial dieses Thrillers nicht völlig ausgeschöpft. Das ist sehr schade. Aber ein spannendes Leseabenteuer war es für mich allemal.