Ein trostloser Tag auf den Straßen Berlins

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strickleserl Avatar

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Am Anfang der 30er Jahre gibt es in Berlin viel Not. Maschinen ersetzen Menschen, darum gibt es viele Arbeitslose. Andere leiden unter den Folgen des Großen Kriegs. Männer müssen betteln, Frauen verdienen Geld mit „Gefälligkeiten“.

Diese Geschichte beginnt mit einem Gemüsehändler, der einen muffigen Kellerraum als Schlafplatz an zwei Obdachlose vermietet. Abends werden sie eingeschlossen und morgens herausgelassen, sodass die hungrigen Männer sich nicht an Obst und Gemüse des Händlers zu schaffen machen können.

Der Tag beginnt viel zu früh für die beiden Männer. Während der eine hausieren geht, wartet der andere im Park. Er ist geistig behindert, die Folge eines traumatischen Erlebnisses in seiner Kindheit.

Im Laufe des Tages tauchen viele weitere Männer und Frauen auf. Jeder hat seine Geschichte und alle leiden auf der einen oder anderen Weise Not.

Da gibt es den Blinden, der im Krieg sein Augenlicht verlor, und seine Frau, die sich aus dieser gewalttätigen Beziehung befreien möchte. Eine betagte Frau glaubt auch mehr als Jahrzehnt später nicht, dass ihr Mann gefallen und ihr Vermögen wertlos geworden ist. Eine hübsche, junge Frau hat ein gutes Einkommen. Verschiedene ältere Herrn suchen sie regelmäßig auf. Ein Arbeitsloser ist wegen seinen Umständen wütend und er fragt sich, warum immer er benachteiligt wird. Er heckt verschiedene Pläne aus, um zu bekommen, was ihm seiner Meinung nach zusteht.

Diese unterschiedlichen Personen haben eins gemeinsam: Sie stehen neben dem Leben. Sie sind die Leidtragenden der Wirtschaftskrise.

Der junge Autor dieses literarischen Werks starb schon als junger Mann im Jahr 1942. Sein Buch wurde 1937 in Schweden herausgegeben. Der Text wurde vor dieser ersten deutschen Veröffentlichung lektoriert und dabei vermutlich der heutigen Sprache ein wenig angepasst.

Die Lebensläufe der Menschen stehen nebeneinander. Immer wieder erfährt der Leser Bruchstücke aus ihrer traurigen Vergangenheit. Der Autor beschreibt die Beweggründe dieser Menschen und erzählt von Motiven, die ihnen oft selbst nicht bewusst sind. Es sind oft niedere Instinkte und Wünschen, von denen diese einfachen Menschen gesteuert sind.

Was diesem Buch fehlt ist eine überzeugende Handlung. Die beschriebenen Menschen versammeln sich abends in einer Wirtschaft, in der etwas Dramatisches geschieht, aber dem Buch fehlt ein Spannungsbogen. Die Persönlichkeiten und Verhältnisse in dieser Stadt sind gut beschrieben, aber für einen Roman vielleicht zu sachlich und spannungslos.

Die Beschreibungen der hoffnungslosen Schicksale lässt besser verstehen, warum ein Führer, der versprach die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, immer beliebter wurde. Als Zeitzeugnis ist dieses Buch besonders wertvoll. Hier schreibt jemand, der diese Zeit tatsächlich erlebt hat. Er kannte die Fragen und Probleme, aber er ahnte nicht wie viel Leid die angebliche Antwort mit sich bringen würde.

Der Autor streut tiefsinnige Reflektionen und Vergleich in seine Geschichte ein. So vergleicht er neutrale Beobachter bei einer Auseinandersetzung in einer Kneipe mit Staaten, die den Starken unterstützen und doch auf Seiten der Schwachen stehen. „Ihre eigentliche Aufgabe besteht darin, die kriegführenden Parteien aufzustacheln und, im Falle von Nationen, kriegsfähig durch Lieferungen zu erhalten.“ Wer denkt da nicht an aktuelle Ereignisse!

Fazit: Die Besonderheit dieses Buchs ist, dass es das authentische Zeugnis eines Zeitgenossen ist. Da er Berlin in diesen längst vergangenen Jahren so gut kennt, kann er ein bewegendes Bild der vergessenen Menschen dieser Stadt malen.