Links von uns ist ein Riss im Himmel

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philipp.elph Avatar

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Staatsanwältin Chastity Riley ist eine starke Frau. In der Domäne von Polizisten und Kriminellen steht sie ….. ihren Mann. (Muss mal so gesagt werden, ist so). Sie säuft, pafft, hat poetische wie taffe Sprüche drauf. Redet Netto-Text (frei von Geschwafel). Innerhalb der Staatsanwaltschaft ist sie das schwarze Schaf, abgeschoben in ein „Lochbüro“. Aus dem darf sie nur raus, wenn es heißt: „Das, was vorgefallen ist, ist so kaputt, das passt zu Riley.“ Ich kenne Chastity seit „Blaue Nacht“ und „Beton Rouge“. Total verquere Fälle.

Auch hier.

Einem jungen Mann aus dem Bremer Mhallamiye-Clan wird in Hamburg das Auto abgefackelt, dumm, dass er darin sitzt und die Türen verschlossen sind. Er überlebt den Vorfall nicht. Ein Fall für Riley, denn der unnatürliche Tod eines Clan-Mitglieds gehört nicht zur Lieblingsbeschäftigung von Rileys Kollegen. Die Mitglieder des Clans halten die Schnauze, andererseits gibt’s „auf die Schnauze für alle. Ist natürlich auch ein interessantes Konzept“.

Chastity Riley dominiert mit ihrem Verhalten, ihrer Denke, ihrem Netto-Sprech die Handlung. Die Polizisten, mit denen sie am tatort, in Bremen und Hamburg aufschlägt, sind meist nur Anhängsel, auch wenn sie das Sagen haben. Chastity prägt die Story und dabei kommt die Geschichte von Nouri, dessen Familie, dem Clan und seinem Verhältnis zu Aliza zu kurz. Schade. Wir erfahren, wie der Clan funktioniert, erleben eine fast Shakespeare’sche Tragödie à la Romeo und Julia, aber über allem schwebt Chastity wie eine Plasiktüte im Wind, verschwindet nie. (Frei nach der Kapitelüberschrift „Vielleicht sind Plastiktüten ja irgendwann die besseren Möwen“). Eine Tragödie auch nach dem Motto „und konnten beisammen nicht kommen…“, Clankinder, keine Königskinder. Aber warum muss es mit dem Tod für den jungen Mhallamiye enden? Übrigens: Manchmal kommst Du mit Ehrlichkeit nicht ans Ziel, ob das nun Mexiko ist oder ein anderes.

Simone Buchholz schreibt mit Mexikoring eine Einführung in das Leben und Wirken des Bremer Mhallamiye-Clans, dem wir in Medienberichten schon häufiger begegnet sind. Sie erweckt den Eindruck, gut recherchiert zu haben, stellt die Verhältnisse sehr plastisch dar. Dabei hat sie das Gleichgewicht zwischen Chastity Riley und deren persönlichen wie beruflichen Umfeld zu Lasten der eigentlichen Geschichte von Nouri und Aliza schlecht austariert. Den Clan der Chastity-Fans wird es nicht stören – und das Lesen dieses Romans bereitet unabhängig von meinem Gemaule gute Unterhaltung. Es ist ein Buch, bei dem „Scherben lutschen“ ein Genuss ist.