Berührend

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kikiwee17 Avatar

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„Mickey und Arlo“ von Morgan Dick ist ein ergreifender Debütroman, der sich mit komplexen Familiendynamiken, Alkoholabhängigkeit, Trauer und Selbstfindung auseinandersetzt. Im Mittelpunkt der Geschichte stehen die einander unbekannten Halbschwestern Michelle und Charlotte aka Mickey und Arlo, deren Wege sich nach dem Tod ihres Vaters unter ungewöhnlichen Umständen kreuzen.

Mickey, ist Vorschullehrerin aus Leidenschaft mit einer Alkoholsucht, die sie nicht als problematisch wahrnimmt. Durch eine Zeitungsanzeige erfährt sie vom Tod des Vaters der sie und ihre Mutter verlassen hat, als sie keine zehn Jahre alt war … und kurze Zeit später, dass er ihr ein beträchtliches Erbe hinterlässt – unter der Bedingung, dass sie sieben Therapiesitzungen absolviert, die er bereits bezahlt hat. Ihre Therapeutin ist niemand anderes als ihre eigene Halbschwester Arlo, die wiederum nicht weiß, wer in der Therapie vor ihr sitzt. Sie selbst hat ihren Vater bis zu seinem Tod gepflegt und hadert jetzt damit, komplett aus dem Testament ausgeschlossen worden zu sein. Während ihrer Sitzungen werden verborgene Familiengeheimnisse aufgedeckt und beide Frauen müssen sich mit ihrer Vergangenheit und ihrer Wut bzw. Trauer auseinandersetzen

Mickey und Arlo sind nicht unbedingt Sympathieträger, aber durch die zwei Erzählperspektiven lernt man beide im Laufe des Romans immer besser kennen, wobei Mickey nach meinem Empfinden der besser und tiefer ausgearbeitete Charakter ist. Besonders bewegend ist die Darstellung ihrer Alkoholabhängigkeit und den Folgen, die diese für sie und ihr Umfeld hat. Ihre Spirale aus Selbstzerstörung und Verdrängung ist erschreckend realistisch geschildert. Sie ist eine Figur die Mitleid und Frustration hervorruft.

„Natürlich rede ich mit Menschen. Ich rede ja jetzt gerade mit ihnen. Aber ich passe auf, dass ich ihnen nicht zu nahekomme. Menschen können gar nicht anders, als einen zu enttäuschen. Sogar die guten. Vor allem die guten. Die besten Freunde, die Verwandten. Das sind die Menschen, die einem am übelsten mitspielen.“

Bei Arlo kann man das Phänomen der Co-Abhängigkeit sehr gut erkennen und das Buch zeigt hier eindrucksvoll, wie Kinder alkoholkranker Eltern oft versuchen, Verantwortung zu übernehmen, sich anpassen und eigene Bedürfnisse unterdrücken.

Der ständige Wechsel der Erzählstimme sorgt für eine mitreißende Dynamik, weswegen ich das Buch kaum zu Seite legen konnte. Obwohl manche Handlungsstränge konstruiert wirken und ich einige Entwicklungen doch etwas unglaubwürdig fand, bleibt die Geschichte insgesamt überzeugend. Das Ende bietet nach all dem nervenaufreibenden Chaos eine hoffnungsvollen Ausblick. Insgesamt ein lesenswertes Buch, das mich emotional berührt und zum Nachdenken angeregt hat und durch starke Emotionen und interessante Figuren überzeugt.