Berührend und Frustrierend

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Mickey und Arlo haben denselben Vater, aber sie kennen sich nicht. Früh verlässt er Mickey und ihre Mutter um eine neue Familie zu gründen. Er wird wohlhabend, bleibt aber sein Leben lang Alkoholiker. Nach seinem Tod überrascht sein Testament mit unerwarteten Festlegungen. Für ihr Erbe muss Mickey sich einer Therapie unterziehen, ohne zu wissen, dass ihre Therapeutin ihre unbekannte Halbschwester Arlo ist.

Die Schwestern sind beide schwer zu ertragen und kämpfen mit den Traumata ihrer Kindheit. Beide haben unter ihrem alkoholkranken, selbstfixierten Vater gelitten, aber unterschiedliche Strategien entwickelt, damit umzugehen. Die verlassene Mickey hasst ihren Vater und ist entsetzt und fast beleidigt über das Erbe von 5,5 Millionen. Arlo, die ihn bis zuletzt gepflegt hat, versucht immer nur seine guten Seiten zu sehen und fühlt sich durch die Enterbung betrogen. Die Charaktere sind gut ausgearbeitet und wirken in sich stimmig. Leider sind sie weder sympathisch noch nachvollziehbar. Sie treffen fragwürdige Entscheidungen, sind manipulativ und egoistisch. Aber gerade dadurch wirken sie sehr authentisch.

Die Kapitel sind abwechselnd aus der Sicht von Mickey und Arlo geschrieben. Der Schreibstil ist flüssig, angenehm zu lesen und sehr dialogbetont. Trotz der schwierigen Themen gelingt es der Autorin, eine gewisse Leichtigkeit in die Geschichte zu bringen. Der Anfang ist sehr stark, der Mittelteil etwas langatmig mit einigen redundanten Szenen, das Ende leicht optimistisch, etwas überhastet und eher offen.

Die Stärke des Buches liegt in der Darstellung der Probleme der beiden Schwestern. Mickeys Alkoholsucht wird sehr anschaulich beschrieben und Arlos Gedanken über ihren Vater und die Patienten verdeutlichen ihre eigenen emotionalen Probleme.

Insgesamt hat mir "Mickey und Arlo" gut gefallen. Es bietet tiefe Einblicke in die Themen psychische Erkrankung, Trauma und Alkoholabhängigkeit in einem mitreißenden Schreibstil. Mit einem strafferen Mittelteil wäre es noch besser geworden.