Spannende Dystopie

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England in der Zukunft, im digitalen Zeitalter nach dem dritten Weltkrieg: Aus Angst vor einer wiederholten Machtübernahme, die zu einem Krieg führen könnte, werden Intelligenz gepaart mit Rationalität über alles gestellt. Vor allem, wer irrational ist, ist gefährlich. Das Leben spielt sich in der virtuellen Welt ab: Der Unterricht, die Freizeit, ja selbst Dates sind sicherer, wenn sie online passieren. Die siebzehnjährige Luna jedoch verweigert; ein Implantat, mit dem sie sich jederzeit einloggen kann, möchte sie nicht haben. Dafür nimmt sie jede Menge Unannehmlichkeiten in Kauf, aber sie hat ihre Gründe und die müssen geheim bleiben. Völlig unverständlich erscheint ihr daher die Einladung des Konzerns PareCo, der mittels Tests den Weg in die Elite ebnet. Luna ahnt, dass mehr dahinter stecken muss, schließlich war ihre Mutter Astra eine berühmte Hackerin. Doch wie gefährlich es wirklich wird, kann sie nicht erahnen.

Eine Welt, in der sich die Menschen fast nur noch in virtuellen Räumen aufhalten, ist mir bereits bei „Ready Player One“ von Ernest Cline begegnet. Das Thema ist insofern ähnlich als in beiden Romanen eine alles kontrollierende Firma den Zugang zur Virtualität schafft und die Welten und damit auch deren Nutzer kontrolliert. Während bei „Ready Player One“ jedoch die Jagd nach dem wertvollsten Easter Egg aller Zeiten im Vordergrund steht, beschäftigt sich „Mind Games“ mehr damit, wie Macht erworben, ausgebaut und manipuliert wird. Wie Konzerne sich Menschen untertan machen, ohne dass es jemand bemerkt.

Teri Terry schafft wie bereits in ihrer „Slated Trilogie“ eine düstere Zukunftsvision. Über das Leben in dieser Zeit erfährt man nur wenig, gerade so viel, wie Luna es als Ich-Erzählerin in ihrem eigenen Erleben erfährt. So wird bei einer Fahrt mit der Fahrradhochbahn klar, dass es Bereiche gibt, in denen sich besser Gestellte abschotten. Da es für Lunas Situation nicht wichtig ist, wird auch im Weiteren nicht näher darauf eingegangen. Dadurch hungert man als Leser zwar durchaus nach mehr Hintergrundinformationen, aus der Sicht Lunas ist es jedoch wiederum verständlich, dass nicht alles lang und breit erklärt wird.

Mit Luna, benannt nach Luna Lovegood aus der Harry-Potter-Welt, in der sich ihre Eltern kennengelernt haben, hat Teri Terry eine starke Protagonistin geschaffen, die einerseits manchmal etwas blauäugig durchs Leben geht, allerdings immer bereit ist, etwas zu tun und zu verändern, wenn es nötig scheint. So fällt bei ihr der Groschen zuweilen sehr langsam, aber wenn er dann fällt, dann klimpert es gewaltig. Auch die Nebenfiguren sind authentisch und lebendig. Nicht immer ist klar, was sie unter Umständen im Schilde führen, nie weiß man, wem man vertrauen kann. Das macht auch einen Teil der Spannung aus, und spannend ist das Buch auf jeden Fall!

Die sieben Kapitel werden mit sehr passenden Zitaten eingeleitet, was mir sehr gut gefallen hat. Teri Terry schreibt gewohnt ausdrucksvoll, in kurzen Sätzen und schnellen Dialogen. Wieder einmal gelingt es ihr, Gefühle dezent zu beschreiben und dieses Mal eine Liebesgeschichte nur anzudeuten.

Mir hat „Mind Games“ richtig gut gefallen und ich habe mich sehr gut unterhalten gefühlt. Natürlich ist das Buch ziemlich dicht an der „Slated-Trilogie“, die ich für eine der besten aktuellen Jugend-Dystopien halte. Terry spielt (und kokettiert) auch ein wenig damit – lasst euch überraschen!

© Tintenhain