Direkt und schonungslos

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sassenach123 Avatar

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Direkt und schonungslos

Mit der Faust in die Welt schlagen
Lukas Rietzschel

Der Titel drückt in etwa das aus, was man als Leser gedanklich während der Lektüre gern tun würde. Vielleicht nicht gleich in die Welt, aber zumindest auf den Tisch, um die Erwachsenen in diesem wachzurütteln, ihnen zu sagen, dass sie doch bitte mal ihre Augen öffnen sollen, damit sie sehen, was um sie herum alles falsch läuft.

Philipp und Tobias ziehen mit den Eltern bald ins gemeinsame Haus, die Familie freut sich darauf. In Sachsen ist es beruflich gesehen sehr schwierig nach der Wende, nicht jeder hat Arbeit, ein Eigenheim für viele unerschwinglich. Uwe, ein entfernter Bekannter der Familie, hilft beim Bau, ansonsten hat er wenig zu tun, seine Frau hat ihn verlassen, er schlägt sich mit Gelegenheitsarbeiten durch , trinkt viel. Als Uwe Suizid begeht, haben es alle irgendwie geahnt, dass es mal dazu kommen wird, unternommen hat aber irgendwie niemand etwas.
Philipp und Tobi bekommen häufig mit, dass viele Bewohner etwas gegen Ausländer haben. Ein Hakenkreuz verschandelt einen Stein in der Schule, doch die Schüler werden nicht aufgeklärt. Das dahin geschriebene Wort Jude am Rand des Schulheftes, was nur wegradiert werden muss, ohne darüber zu sprechen. Die angezettelte Prügelei gegen Ausländer...
Bald schon kommt eins zum anderen, die Jugendlichen reagieren auf ihre Weise auf das Thema. Philipp und Tobi erliegen dem Reiz der älteren Jugendlichen, finden dort Bestätigung.

Lukas Rietzschel, selbst Ostdeutscher, versucht mit seinem Roman dem Leser aufzuzeigen, wie Fremdenhass oft entsteht. Er zeigt die Perspektivlosigkeit in den neuen Bundesländern auf. Er prangert nicht direkt an, regt aber zum nachdenken an. Das Beispiel der beiden Brüder ist dabei maßgeblich beteiligt, er zeigt auf, dass beide Richtungen möglich sind. Es muss nicht immer in einer Sackgasse enden. Dennoch macht der Autor klar, dass es vor allem für Kinder und Jugendliche nicht leicht ist, einen Weg zu finden ohne die richtige Unterstützung. Wegschauen bringt nichts, das hat mir der Roman noch einmal bewusst vor Augen geführt.