Harte Kost

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Sieht so eine ganz normale Familie in Ostdeutschland aus? Diese Frage stellte sich mir das ein oder andere Mal beim Lesen. Das Buch wirkt sehr authentisch. Durch den überragenden Sprachstil kommt die triste Atmosphäre zur Geltung, so dass man als Leser die Langeweile und den Frust der Bewohner des kleinen, ostdeutschen Nests richtig nachempfinden kann.

In der Geschichte geht es um eine ostdeutsche Familie mit zwei Kindern, Philipp und Tobias, die kurz nach der Wende über 15 Jahre begleitet werden. Hauptcharaktere sind die beiden Brüder, die charakterlich sehr verschieden sind und dementsprechend unterschiedlich auf die äußeren Umstände reagieren und sich weiter entwickeln. Während der eine ein Mitläufer bleibt, in seinem Frust versinkt und einfach alles zu akzeptieren scheint, entwickelt der andere seine eigenen Gedanken zu seinem Umfeld. Da kam mir gleich die Frage in den Sinn: Inwieweit beeinflusst die Umwelt das Denken eines Individuums? Und inwieweit spielt der Charakter eine Rolle? Das kann man am Beispiel dieser beiden Brüder sehr gut beobachten.

Insgesamt hat mir das Buch sehr gut gefallen. Es beschreibt auf einzigartige Weise das Gefühl, das in weiten Teilen Ostdeutschlands kurz nach der Wende (und auch immer noch heute) geherrscht haben muss. Es versucht die Frage zu beantworten, wie es in diesen Teilen zu einem so hohen Anteil an Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit kommen konnte. Und auch wenn diese Frage hier nicht beantwortet werden kann, so bekommt man doch einen guten Eindruck davon, was viele Menschen im Osten (auch wenn man nach fast 30 Jahren eigentlich nicht mehr vom "Osten" sprechen sollte) bewegt. Die Einheit ist zwar da, doch in vielen Teilen Deutschland ist sie immer noch bloß reine Theorie.