Perspektivlosigkeit in Ostdeutschland

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Ein erschreckender Roman, der schonungslos einen Teil deutscher Geschichte nach der Wende beschreibt.

Es ist die Geschichte der Brüder Tobias und Philipp, die um die Jahrtausendwende in Neschwitz in Ostdeutschland aufwachsen. Die Eltern versuchen mit Hausbau und fleißiger Arbeit zu etwas Wohlstand zu kommen, die Ehe scheitert jedoch und die Jungs wachsen bei einer frustrierten Mutter auf. Nach und nach geraten sie durch falsche Freunde in eine Gruppe nationalistisch gesinnter Leute, die mehr vorhaben als stillen Protest und gewaltlose Demonstration gegen Fremde und Asylanten.

Dieses Buch von Lukas Rietzschel ist extrem düster und bedrückend, keine leichte Lektüre. Das steht auch nicht zu erwarten bei diesem aktuellen und polarisierendem Thema, wird aber zudem verstärkt durch den Schreibstil: überwiegend kurze und wenig emotionale Sätze, manchmal mehr eine Art Aufzählung von Ereignissen. In einigen Passagen hätte ich mir etwas mehr Emotionalität gewünscht, auch die Sichtweisen anderer Personen als Tobias und Philipp, zum Beispiel beider Elternteile. Es ist erschreckend zu lesen, wie leicht die beiden jungen Männer in ein Milieu abrutschen, über das man immer wieder verständnislos den Kopf schüttelt und sich fragt, wie es so weit kommen kann. Auch die geschilderte Hilflosigkeit der Eltern und Lehrer, die ihre Kinder an Drogen und braune Gesinnung verlieren ohne sich erkennbar zu wehren, frustriert mich als Leser zutiefst.
Auf Grund des Alters des Autors vermute ich, dass ein Teil des Romans autobiografisch ist. Auf jeden Fall lässt er mich als Leser nachdenklich und erschreckt zurück.