Einfallslos und oberflächlich

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henrike von buchstabensalat.net Avatar

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In Mit dir leuchtet der Ozean geht es um Penny und Milo, die sich in einem Ferienclub auf Fuerteventura unerwartet wiedersehen. Eigentlich kennen sie sich gar nicht gut, aber sie waren mit 16 ein halbes Jahr lang auf der gleichen Schule und haben damals bei einem dummen Partyspiel („7 Minuten im Himmel“ nennt man das, glaube ich), bei dem man 7 Minuten mit einer unbekannten Person im Schrank knutschen muss, mitgemacht. Daraus wurde aber keine Beziehung, obwohl es beiden wohl ganz gut gefallen hat.

Trotzdem sind die Gefühle sofort wieder da, als sie sich 4 Jahre später auf der spanischen Insel über den Weg laufen. Aber erstens ist Milo inzwischen vergeben und zweitens hat er eine undurchsichtige Vergangenheit, die Penny zu denken gibt. Bühne frei für will-they-won’t-they!

Die Charaktere

Pennys Familie hat eine harte Zeit durchgemacht, die für sie zu einer äußerlichen Veränderung geführt hat (von roten Locken und Sommersprossen zu dichtem Make-Up und schwarz gefärbtem Bob) und die noch bis in die Gegenwart nachhallt. Sie ist eher still und wollte eigentlich mit ihrer Freundin zusammen auf Fuerteventura im Ferienclub arbeiten. Die ist allerdings kurz vor der Abreise wegen eines Beinbruchs ausgefallen, sodass Penny jetzt auf sich allein gestellt ist.

Milo ist scheinbar der ruhige und tierliebe Typ, der sich nicht ansehen lässt, wie tiefgründig sein Charakter ist. Über ihn sind Gerüchte im Umlauf, die von Autodiebstahl bis zum Verkauf von Drogen reichen, doch niemand weiß so genau, was eigentlich an diesen Behauptungen dran ist. Erst recht nicht die Leute im Ferienclub, in dem er arbeitet. Was genau dahinter steckt, kann ich aus Spoilergründen natürlich nicht schreiben. Nur so viel: Er hat die traumatische Vergangenheit, die so vielen männlichen Protagonisten zugeordnet wird.

Milo erinnert mich in der Beschreibung und durch den Namen sehr an Jess Mariano aus Gilmore Girls (gespielt von Milo Ventimiglia): immer ein Buch dabei und augenscheinlich der Bad Boy, von dem sich brave Mädchen besser fern halten. (Nicht meine Meinung, aber das ist halt die Message, die vermittelt werden soll.)

Außer diesen beiden Hauptfiguren, deren Perspektive wir abwechselnd einnehmen, gibt es noch eine Handvoll Nebencharaktere: Die schöne Helena, Milos aktuelle Freundin, die happy-go-lucky ist und natürlich irgendwann einen Eifersuchtsanfall bekommt. Severin und Phillip, scheinbar nur auf Party und Sex aus. Ramón, der schwule Boutique-Verkäufer mit Elvis-Tolle, mit dem man so toll reden kann und der sich als bester Freund eignet.

Ich sage es einfach ganz direkt: Milo und Penny, genau wie die Nebenfiguren, sind mir viel zu einfach gestrickt. Zu klischeehaft. Klar, ich wollte seichte Unterhaltung, aber ein bisschen mehr Kreativität hätte ich mir bei der Figurengestaltung schon gewünscht. Diese Figuren zeichnet NICHTS anderes aus, als ich hier geschrieben habe. Rein gar nichts. Das reicht mir einfach nicht.

Helena ist hier noch die Figur, die am meisten Tiefe bietet, da sie eine spezielle Art zu sprechen hat. Aber kommt schon, der schwule beste Freund, die eifersüchtige, perfekte Blondinen-Freundin, die stille Protagonistin, die „rechtschaffener“ nicht sein könnte – ich könnte diese Liste von ausgelutschten Tropes noch eine Weile weiterführen.

Die Handlung

Mädchen und Junge küssen sich in der Schulzeit einmal. Junge wechselt die Schule (das hat aber mit dem Kuss nichts zu tun). Mädchen und Junge treffen sich nach mehreren Jahren in einem Dirty Dancing-artigen Ferienclub unerwartet wieder, weil sie beide dort arbeiten. Die Situation erlaubt es nicht, dass sie sofort zusammen kommen. Mädchen und Junge, jetzt Frau und Mann, entwickeln aber sofort (wieder) Gefühle füreinander. Außerdem gibt es da noch ein paar Geheimnisse, die zuerst offengelegt werden müssen. Großes Drama incoming. Happy End?

Das wäre meine Kurzfassung, viel mehr gibt es zur Handlung nicht zu sagen. Versteht mich nicht falsch, daran ist erst mal nichts verkehrt. Diesem roten Faden folgen so, so viele Young- oder New Adult Romane, vom Dirty Dancing-Ferienclub abgesehen. Nur könnte man mehr Details einbauen, mehr überraschende Wendungen, mehr Figuren mit besonderen Eigenheiten.

Ich würde zum Beispiel in der Sprache großes Potenzial für interessante Wendungen oder Konflikte in der Rahmenhandlung sehen: der Club ist auf einer spanischen Insel, die Mitarbeiter*innen kommen scheinbar ausschließlich aus deutschsprachigen und spanischsprachigen Ländern und die Gäste ebenso. Es wird aber nicht beschrieben, in welcher Sprache eigentlich miteinander gesprochen wird. Spanisch? Deutsch? Englisch? Gibt es keine Gäste oder Kolleg*innen mit anderen Muttersprachen, mit denen man vielleicht zuerst nicht problemlos kommunizieren kann?

Aber ich möchte nicht nur meckern. Mit dir leuchtet der Ozean hat mich ab etwa der Hälfte, als sich Milo und Penny einander annähern, ganz gut unterhalten und bei dem typischen Drama im letzten Drittel wurden meine Augen kurz feucht. Sehr gut gefallen hat mir die Umsetzung von Chat-Nachrichten zwischen Penny und ihrer Freundin, später auch zwischen Penny und Milo. Die Tatsache, dass Milo einen guten Draht zu allen Tieren, aber nicht zu den wilden Hörnchen hat, die die Insel bevölkern, hat mich zum Schmunzeln gebracht. Aber ihr merkt es sicher schon: ich suche fast schon verzweifelt nach Aspekten, die ich positiv nennen kann. Insgesamt bin ich von Mit dir leuchtet der Ozean einfach enttäuscht.

Fazit

Will-they-won’t-they vor der Kulisse der Kanarischen Inseln. Vorhersehbar, generisch, ohne spannende Details oder andere Elemente, die Mit dir leuchtet der Ozean aus der Masse hervorheben würden. Das letzte Drittel gefiel mir ganz gut, aber bis dahin passt dieses Wort am besten zum Buch: Meh.

PS:

Eine Frage beschäftigt mich übrigens schon wieder: Was bitte hat der Titel mit dem Buch zu tun? Die Geschichte spielt auf einer Insel, der „Ozean“ ist also nicht komplett bezugslos. Aber von Leuchten ist im Roman keine Rede. Es sei denn, ich habe das jetzt, einen Tag nachdem ich Mit dir leuchtet der Ozean gelesen habe, direkt wieder vergessen, was auch nicht wirklich für das Buch sprechen würde. Es ist in meinen Augen ein generischer Titel, der zwar genauso hübsch, aber auch genauso nichtssagend ist wie das Cover.

Danke an den Verlag für das Rezensionsexemplar!