Für einen Sommer-Wohlfühlbuch zu schwermütig

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Pünktlich zum Erscheinungstermin letzte Woche ist "Mit dir leuchtet der Ozean" von Lea Coplin bei mir angekommen. Da die Autorin mich schon letztes Jahr im Sommer mit ihrer ungekünstelten, spritzigen, authentischen Art zu Schreiben in "Für eine Nacht sind wir unendlich" überzeugt hat, war ich sehr gespannt auf ihren neusten Roman und hatte auf ein ähnliches Highlight gehofft. Leider hat mich "Mit dir leuchtet der Ozean" nicht ganz so sehr überzeugen können, wie ihr letzter Roman. Zwar sind Setting, Figuren, Atmosphäre und Handlung einzeln betrachtet grundsätzlich interessant gestaltet - als Ganzes war mir aber nicht ganz klar, was diese Geschichte sein will. Ein seichter Urlaubsroman? Keineswegs, dazu ist der Roman zu schwermütig und das Setting wird zu wenig genutzt. Eine dramatische Liebesgeschichte? Leider bleiben viele Themen zu oberflächlich und einige Emotionen gehen auf dem Weg verloren....

Das Cover entführt mit einem farbintensiven Bild eines Strands im Hintergrund und dem hervorgehobenen Kontrast aus türkisblauem Wasser und orangenem Sand im Titel sofort in eine sonnige Parallelwelt voll heißer Tage, lauer Nächte, Sandburgen und Gelächter unter Palmen. Nach dem Einstieg in die Geschichte kommt dann aber schnell die Ernüchterung: Trotz grundsätzlichem Sommer-Sonne-Kaktus-Flair die "Mit dir leuchtet der Ozean" keine unbeschwerte Sommerlektüre. Dazu sind die Tage der Protagonisten zu voll, der emotionale Ballast, den beide mit sich herumschleppen zu schwer und die Stimmung zu melancholisch. Statt Strandpartys, Freude und Freiheit zu zelebrieren, fallen Penny und Milo nach ihren langen Tagen im Club oft erschöpft ins Bett und bekommen außerhalb ihrer Tätigkeit im Solana Sunshine Club wenig von der spanischen Insel zu sehen, auf der sie den Sommer verbringen. Das ist keineswegs ein Problem und nur logisch angesichts der Tatsache, dass Penny und Milo nicht zum Urlaubmachen auf Fuerteventura sind - aber eben eine Sache, die man wissen muss, wenn man sich auf die Geschichte einlässt.

Erster Satz: "In dem Augenblick, in dem meine Hand den Griff umschloss, knipste irgendjemand das Licht aus, und auf einmal war es stockfinster im Raum."

Auch der poetische Titel führt auf eine eher falsche Fährte: wer hier eine leidenschaftliche Liebesgeschichte erwartet, wird eher enttäuscht werden. "Mit dir leuchtet der Ozean" erfindet den Begriff "Slow Burn" komplett neu. Zwar lesen wir von ihrem ersten Kuss schon im ersten Kapitel, nachdem wir in dem sehr süßen Prolog die erste richtige Begegnung von Penny und Milo während eines Partyspiels im Schrank beobachtet haben, fällt ihr zweites Aufeinandertreffen, fast vier Jahre später aber weit weniger prickelnd aus. Während sich Penny eigentlich nur ihrer Freundin zuliebe für den Job beworben hatte (die nun aber mit Gips zuhause bleiben musste) und nichts lieber tun würde, als sich von der Welt zu verkriechen, ist auch Milo nicht gerade begeistert, ein bekanntes Gesicht zu sehen. Denn Penny weiß zu viel über seine Vergangenheit und könnte das Bild des unbeschwerten Sunnyboys zusammenbrechen lassen, das er sich mühsam aufgebaut hat. Sie beschließen also, einander erstmal aus dem Weg zu gehen - was sich als gar nicht so einfach herausstellt, da Milos Sonnenschein-Freundin Helena ausgerechnet Pennys Zimmergenossin ist...

Milo: "Mit Helena zusammen zu sein ist großartig, denn es nimmt dem Leben all die scharfen Kanten. Hier allerdings, zwischen Penny Fuchs und mir, wirkt sie auf einmal wie einer dieser aufziehbaren Hundewelpen aus der Werbung. Zu positiv. Zu perfekt. Nicht echt."

Klar, kein Wunder, dass es unter diesen Umständen eine ganze Weile dauert, bis die beiden sich etwas annähern, aber ein bisschen mehr Prickeln hätte es zwischen den beiden meiner Meinung nach schon können. Ich finde es grundsätzlich positiv, dass sich die Autorin hier so viel Zeit lässt, bis Penny und Milo sich wiederfinden, ein bisschen mehr Chemie, Anziehungskraft und Gefühlen hätte sie sich aber trotzdem bedienen können, um uns über die recht ereignisarme erste Hälfte hinwegzuhelfen. Denn bis auf die Beschreibung der Arbeit im Club, das ein oder andere Telefongespräch nach Hause und kurze Treffen der beiden Protagonisten passiert zunächst einfach nicht. Zwar ist das All-Inclusive-Club-Arbeitsleben ein interessanter Rahmen, in welchem ich noch nie eine Geschichte eingebunden gelesen habe, aber auch wenn ich ein Auge zudrücke muss ich anmerken, dass es sich dennoch ganz schön ziiieeeht, bis endlich mal etwas passiert.

Penny: "Da stehe ich, in einem kurzen T-Shirt mit zu nackten Beinen, und Milo starrt mich an... wie ich weiß nicht, wie er mich anstarrt. Als sei ich ein leeres Blatt oder eine weiße Leinwand und er kurz davor, mich mit Farbe zu begießen, aus vollen Eimern, bis ich darin untergehe."

Spannung wird vor allem durch die vielen offenen Fragen gewonnen, die nur nach und nach beantwortet werden. Was ist mit Milos Bruder passiert? Was ist an den Gerüchten um ihn dran? Was hat es mit Pennys Veränderung und der angespannten Stimmung in ihrer Familie auf sich? Weshalb sind die beiden ausgerechnet in Fuerteventura gelandet? Im Laufe der Beantwortung kommt das ein oder andere sehr ernste Thema ans Licht, das dann auch die vorher genannte schwermütige Atmosphäre, Milos gekünsteltes Lächeln und Pennys Typveränderung erklärt. Auf diese Themen und Konflikte wird aber leider zu wenig eingegangen, als dass ich richtig emotional mitgenommen worden wäre. Im hinteren Teil der Geschichte bricht dann nämlich die zuvor vermisste Liebesgeschichte durch und wird so präsent, dass eine weitere Auseinandersetzung mit der Charakterentwicklung völlig untergeht (die Figuren scheinen sogar vollkommen aufzuhören zu denken, wenn man mal betrachtet, was sie so anstellen *augenverdreh*).

Milo: "Helena schwebt davon, und ich bleibe mit dem Gefühl zurück, dass die Maske, die ich seit Monaten trage wie eine zweite Haut, in leichte Schieflage gerät durch die andere, die ich gerade darübergestülpt habe."

Um zu erklären, wie ich das meine muss ich noch generell ein paar Worte zu den Figuren verlieren. Penny und Milo erzählen hier in 51 Kapiteln abwechselnd jeweils aus der Ich-Perspektive und sind grundsätzlich sehr spannend angelegt. Lebendig werden die beiden vor allem durch ihre Eigenheiten und die vielen ungenauen Hintergründe und Fragen, die sie und ihr Verhalten aufwerfen. Darüber hinaus ist aber nicht so ganz der Funke übergesprungen, da wir bei vielen wichtigen Entwicklungsschritten nicht dabei sind und ich das Gefühl hatte, dass die Figuren manchmal selbst vergessen haben, wer sie eigentlich sind. Fangen wir mal an mit Penny. Diese hat erst kürzlich ihr Psychologiestudium abgebrochen, da es ihr gelungen ist "sich in jeder einzelnen möglichen Psychoneurose wiederzuerkennen, die ihr über den Weg lief" (Grüße gehen raus an mein eigenes Hypochonder-Ich, das bei jeder vorgestellten Störung denkt "ach, das hast du doch auch, oder?" - da konnte ich mich nur zu gut drin wiederfinden). Schon auf den ersten Seiten konnte ich mich gut mit ihr identifizieren, da ich das Gefühl kenne, zu sehr im eigenen Kopf gefangen zu sein. Doch dann kommt sie in den Club und alles was sie tut ist arbeiten und an Milo denken - ihre zuvor genannten Probleme ausgehend von ihrem Studienabbruch prägen ihre Wahrnehmung und ihr Empfinden in der weiteren Handlung kaum. Zukunftsängste? Fehlanzeige. Viele Gedanken über Zuhause, über das Studium, über ihre Kindheit? Nope. Ihre neu entdeckte Leidenschaft für das Theater? Wird zur Randbemerkung. Der Konflikt mit ihren Eltern? Das kann man ja im Epilog kurz als geklärt deklarieren. Es scheint, als würde sie plötzlich nur noch eine Sache beschäftigen: Milo. Und das macht sie leider ein bisschen eindimensionaler, als sie hätte sein müssen.

Penny: "Irgendwie habe ich allmählich das Gefühl, ihr gehört vielleicht zusammen, Milo und du".
"Ah nein, das ist..."
"Ich meine, du gibst dir jetzt schon zum zweiten Mal richtig Mühe, die nicht in Milo Kohlberg zu verlieben. Und diesmal scheint es dir ein bisschen weniger gut zu gelingen als damals in der Schule."

Milo kämpft mit seinem schlechten Ruf, der ihn von München aus bis nach Fuerteventura zu folgen scheint und findet es leichter, alle mit einem unbeschwerten Lächeln zu täuschen, als wirkliche Nähe und Verletzlichkeit zuzulassen. Wirkliche Beziehungen sind ihm zu anstrengend, deshalb konzentriert er sich auf seine Katzen und ist mit der immer gutgelaunten Helena zusammen, die nie Fragen stellt. Soweit so gut. Als Penny auftaucht, will er ihr zunächst aus dem Weg gehen, fühlt sich dann aber immer mehr mit ihr verbunden und dann - plötzlich - scheint das mit der Verschlossenheit kein Problem mehr zu sein. Er öffnet sich ihr immer mehr und erzählt, was damals wirklich geschehen ist - wirklich emotional verarbeitet wird das aber von keiner der beiden Figuren und beim Leser kommt auch nicht viel mehr ans als ein "oh, aha". Ich halte also fest, dass viele Konflikte nicht ganz so gelöst werden, wie ich mir das vorgestellt habe und viele der Themen zu oberflächlich und viele der Gefühle zu distanziert bleiben.

Milo: "Ich frage mich, ob wir uns damals zueinander bekannt hätten. Sie, das stille, zurückhaltende Mädchen, mit dieser einen Freundin an ihrer Seite, nicht wirklich unbeliebt, aber auch nicht in den angesagten Cliquen unterwegs. Nicht ganz außen vor. Am Rand. So wie ich. Vielleicht war damals nicht unsere Zeit. Die Frage ist bloß, ob sie es jetzt ist"

Damit ich meine Rezension nicht mit einem zu negativen Eindruck beende, will ich nun auch noch ein paar positive Worte über "Mit dir leuchtet der Ozean" verlieren. Ich habe in meiner "Lesekarriere" schon wirklich eine Menge New-Adult-Bücher gelesen und immer wieder das übertriebene Drama, die vielen Klischees und die aufgesetzten Probleme kritisiert, die leider oft mit emotionalen Geschichten des Genres einhergehen. Ganz dagegen gefeit ist "Mit dir leuchtet der Ozean" natürlich auch nicht, dennoch gefiel mir, wie unaufgeregt die Autorin aus dem Leben ihrer Figuren erzählt. Lea Coplins ruhige, aber authentische Erzählweise sorgt letztendlich dafür, dass man zwar nicht ganz weiß, worauf der Roman hinauswill, man aber trotzdem alles in allem eine gute Zeit hatte!


FAZIT
Für einen Sommer-Wohlfühlbuch zu schwermütig, für eine dramatische Liebesgeschichte zu emotional distanziert und für ein Entwicklungsroman zu oberflächlich... Zwar sind Setting, Figuren, Atmosphäre und Handlung einzeln betrachtet grundsätzlich interessant gestaltet - als Ganzes war mir aber nicht ganz klar, was diese Geschichte sein will.