Philosophische Denkanstöße zum "JA" in der Lebensmitte
Das Buchcover von "Mitte des Lebens. Eine Philosophie der besten Jahre" zeigt eine unscharfe Berglandschaft. Möglicherweise symbolisiert sie das Auf und Ab sowie den bereits bestrittenen und noch undefinierten, vor uns liegenden, Lebensweg. Ebenso kann der große Berg im Hintergrund auch aufzeigen, dass etwa die Hälfte des Lebens bereits erklommen ist. Bleisch nähert sich der Thematik äußerst strukturiert und mit einer gut durchdachten Gliederung. So teilt sie ihr Buch in sieben Unterkapitel ein und beginnt jedes mit Zitaten. Es ist eine philosophische Annäherung an die Lebensmitte, was bereits im Buchtitel versprochen und letztlich auch zelebriert wird. Bleich webt eigene Überlegungen und praxisnahe Beispiele in ihre Ausführungen ein, nutzt andere Zitate oder Thesen geschickt und beleuchtet diese kritisch aus verschiedenen Standpunkten heraus, bevor sie abschließend ein Fazit formuliert. Bleisch will das Buch nicht als Ratgebungsbuch verstanden wissen, da es keine Lösungen oder allgemeingültigen Regeln vorgeben will. Sie hat die Hoffnung, dass es von den Lesenden als Beratungsbuch wahrgenommen wird. Dies bekundet sie sogleich in der Einleitung und zieht am Ende auch noch mal ein allgemeines Fazit. Die Autorin ist der Zeit der mittleren Jahre positiv eingestellt, die ihrer Auffassung nach als beste oder Blütezeit gelten könnten. Aber sie zeigt auch kritisch angstbehaftete Aspekte auf, welche die Freude auf diese Zeitspanne erschweren könnten. Ein wenig persönlich verwundert bin ich darüber, dass Bleisch diese über einen sehr langen Zeitraum, nämlich grob zwischen 35 beziehungsweise 40 Jahren und 65 Jahren definiert. Dies stellt mehrere Jahrzehnte dar und ich finde, dass dies mindestens zwei Generationen betreffen würde, die nicht unbedingt in einer ähnlichen Lebenswelt behaftet sind. Während die eine Generation ihr Elternsein und Verwirklichung im Job erlebt, spürt die andere möglicherweise bereits erste Gebrechen, einige Verluste, Renteneintritt oder auch Großelternschaft auf sich zukommen. Während die eine Generation mit Medien und unter vielen anderen Lebensumständen zumindest im Jugendalter noch aufgewachsen ist, ist dies der älteren erst im Laufe des Erwachsenenlebens zuteil geworden. Auch bemängele ich, dass das Thema Loslassen, bezogen auf Nachwuchs, nur immer kurz angerissen wird. Ebenso bleibt leider, leider der sehr spannende Aspekt vom Prozess vom Unsichtbarwerden der Frau in den mittleren Jahren für die Außenwelt, den Bleisch auch in der Einleitung erwähnt, unbeleuchtet und nicht ergründet. Gerade diese Auseinandersetzung wäre äußerst spannend gewesen, da dieser Umstand in der Literatur schon mehrfach erwähnt wurde. Möglicherweise wurde dies ausgespart, da dies auch nach einer gedanklichen Auseinandersetzung nicht unbedingt positiv behaftet bliebe. Dennoch merke ich an, dass dies dann zumindest kurz erklärt oder besser ganz ausgespart geblieben wäre. Ich bin positiv von dem Gesamtwerk überrascht, da die kritische Auseinandersetzung der Autorin durch gute Struktur und Fingerspitzengefühl sehr gut gelungen ist. Wer sich darauf einlassen kann und gerne Thesen durchdenkt und selbst darüber philosophiert, ist mit dem Beratungsbuch gut beraten.