Spannend, aber recht konstruiert

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern Leerer Stern
missmarie Avatar

Von

"Die Täter, die vor mir sitzen, werden immer brutaler. Viele sind unbelehrbare Wiederholungstäter, die ich nach einer Weile wiedersehe."

Aber wie soll man mit solchen Tätern, die Richter Hawelka in Nele Neuhaus Krimi "Monster" anspricht, umgehen? Härtere Strafen? Schnellere Verfahren? Oder ist gar Selbstjustiz ein geeignetes Mittel, wenn es nur seinen Zweck erfüllt? Und was ist dran an dem Vorwurf der Überfremdung, wenn sich mal wieder ein Jugendlicher mit Aufenthaltsgenehmigung vor dem Jugendgericht verantworten muss? Einige, wenn man dem Beginn des Krimis Glauben schenken mag. Denn die sechzehnjährige Schülerin Larissa ist tot aufgefunden worden, ein vorbestrafter Flüchtling der letzte, mit dem sie vor ihrem Tod zusammen gesehen worden ist. Es bedarf nur Stunden, bis die Medien das Thema aufgreifen, die Stimmung kocht und rechte Gruppierungen sich vor Flüchtlingsunterkünften aufbauen. Dass Kommissarin Pia und Kollegen den Geflüchteten nur als Zeugen vernehmen möchten, geht in der allgemeinen Aufregung unter. Finden können sie den jungen Mann jedoch nicht. Hat er sich ins Ausland abgesetzt? Oder steckt mehr hinter seinem Verschwinden? Noch während der Ermittlungen im Fall Larissa ergibt sich ein weiterer Fall für das K11; Ein Mann stirbt bei einem Autounfall, bei der Obduktion der Leiche zeigt sich jedoch, dass er brutale Verletzungen hat, die auch von Hunden stammen. So unterschiedliche die beiden Fälle auf den ersten Blick wirken mögen, ermittelt das K11-Team bald erste Zusammenhänge.

Nele Neuhaus Krimireihe um Kommissarin Pia ist mit "Monster" wieder um einen Band reicher geworden. Hier steckt das drin, was man erwarten darf, wenn man schon andere Bücher der Reihe gelesen hat: Eine solide Ermittlungsarbeit, ein bisschen Action am Ende und auch viel Persönliches zu Pia, Bodenstein und ihren Familien. Auch dieses Mal gibt es die ein oder andere recht blutige Szene. Insgesamt habe ich mich gut unterhalten gefühlt, stellenweise war der Krimi richtig spannend. Dennoch gibt es auch ein paar Schwächen, die nicht unerwähnt gelassen werden sollen.

In diesem Roman kommen unheimlich viele Verdächtige, Beschuldigte und Nebencharaktere vor. Nicht nur Bodenstein stellt irgendwann fest, dass er sich ganz schön konzentrieren muss, um nicht die Übersicht zu verlieren, Und genauso geht es auch dem Leser. Manchmal habe ich die Figuren gedanklich falsch zugeordnet, war dann erst verwirrt, bis mir einfiel, dass beispielsweise die Familienverhältnisse doch anders sind. Wer also einfach Personenkonstellationen bevorzugt, sollte zu einem anderen Roman greifen.

Außerdem ist vieles nicht so richtig zu Ende gedacht. Man gewinnt den Eindruck, dass der "Fall Larissa" eigentlich nur dazu da ist, den zweiten Fall irgendwie einzurahmen und einzuleiten. Insbesondere die Aufklärung am Ende ist sehr dünn, Hinweise darauf gibt es nur äußerst selten und wie genau Pia auf die zündende Idee gekommen ist, bleibt leider im Dunkeln. Genauso verhält es sich mit einigen losen Enden, die am Ende nicht geklärt werden. So hat ein Medium definitiv Täterwissen. Woher das kommt, bleibt aber im Dunkeln und schient auch die Kommissare nicht weiter zu interessieren. Hauptsache, die Informationen stimmen und bringen die Ermittlungen weiter.

Vieles wirkt also recht konstruiert. Wem das nichts ausmacht, der liest hier einen Krimi mit vielen Anlehnungen an die Realität. Neuhaus verhandelt darin unter anderem die Frage, wie wir als Gesellschaft mit Vorurteilen gegenüber Geflüchteten umgehen. Außerdem weckt der Roman Erinnerungen an die NSU und die Reichsbürger-Vereinigungen. Ob diese Aktualitätsbezüge gelungen sind, muss am Ende jeder für sich entscheiden.