Montmartre – Zwei Frauenschicksale inmitten von Tanz und Malerei

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bookworm53 Avatar

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„Montmartre – Licht und Schatten“ von Marie Lacrosse ist der Auftakt der zweibändigen Montmartre-Saga. Der exzellent und aufwändig recherchierte historische Familienroman erzählt die Geschichte zweier Frauen verschiedener Herkunft mit großem Talent: von Valérie, der begeisterten Kunstmalerin, und Elise, der begabten Revue-Tänzerin.

Kurz zum Inhalt:
Sie wurden am selben Tag im Juni 1866 am Montmartre geboren, Valèrie, als Kind eines wohlhabenden Kunsthändlers, und Elise, als Tochter einer armen Wäscherin. Wenn auch ihre Lebensumstände komplett verschieden sind, in einem ähneln sich die beiden Frauen. Sie verfügen über besondere Talente und kämpfen für die Verwirklichung ihrer Träume.

Das Cover mit der im Stil des 19. Jahrhunderts gekleideten eleganten Dame vor einem typisch französischen Lokal stimmt bereits wunderbar auf die Lektüre ein. Der Roman erschien 2025 im Verlag Goldmann. Das Buch gliedert sich in fünf Teile (Späte Kindheit, Wilde Jugend, Stürmische Jahre, Auf dem Weg zum Erfolg und Licht und Schatten), die wiederum in Kapitel unterteilt sind. Diese sind mit Überschriften versehen, die Zeit-und Ortsangaben umfassen, was den Perspektivenwechsel zwischen den beiden Handlungssträngen – also zwischen Elises und Valéries Leben – sehr übersichtlich gestaltet. Die Handlung erstreckt sich über einen Zeitraum von rund 23 Jahren (1866 bis 1889) und spielt vorwiegend am Montmartre, Paris. Der umfangreiche Personenkreis ist anhand der detaillierten Liste mit Kennzeichnung der historischen Persönlichkeiten gut überschaubar. Auch der Stadtplan vom Montmartre anno 1880 ist sehr hilfreich.

Der Schreibstil ist flüssig, anschaulich beschreibend, ohne auszuufern. Der Roman basiert auf sehr gründlichen Recherchen, angefangen bei der Geschichte und Entwicklung des Montmartre, dem Gesellschaftsbild, über die bedeutendsten Persönlichkeiten, die das Künstlerviertel geprägt haben, bis zu Veranschaulichung der diversen Malstile. Bedeutende Ereignisse jener Zeit wie der Bau des Suezkanal, von Sacre Coeur, dem Eiffelturm, die Weltausstellung, aber auch Schicksalhaftes und Dramatisches wie der Panamaskandal und die Abhängigkeit von Absinth spielen in die Handlung mit hinein. Meisterhaft gelingt es der Autorin, en passant, verwoben mit den Lebensumständen der Protagonistinnen, Wissen zu vermitteln, wobei es stets spannend und lebendig wirkt. Im Nachhang wird ausführlich Wahrheit und Fiktion erklärt. Neben dem Quellennachweis sind sowohl die im Roman erwähnten Gemälde aufgelistet, als auch die Stilrichtungen näher erläutert. Ich fand all diese Hinweise stets sehr hilfreich bzw. habe ich mir immer wieder Gemälde übers Internet angesehen. Vielmals hätte ich mich gerne in die Museen gebeamt, um die Werke in natura betrachten zu können.

Die Handlung entwickelt sich chronologisch parallel. Primär leben die beiden Mädchen bzw. Frauen in verschiedenen Welten, doch kreuzen sich ihre Wege immer wieder. Im Kernpunkt geht es um deren Lebensweg, deren Entwicklung, selbstverständlich unter Einbindung der Umwelt, des speziellen Milieus am Montmartre, geprägt von Vergnügungslokalen, Prostitution und Kunstmalern. Letztlich ist es diese Atmosphäre, das Leben und Schaffen der Künstler, die Tanzlokale, die die beiden Frauenschicksale miteinander verbinden, die den Roman zu einem gelungenen Ganzen werden lassen.

Die handelnden Personen, ob fiktiv oder historisch belegt, wirken allesamt sehr lebendig, authentisch. Je mehr sie im Mittelpunkt stehen, desto facettenreicher sind ihre Charaktere dargestellt, mit Schwächen und Stärken und gefühlsstark. Valèrie und Elise sind sympathische, willensstarke, begabte Frauen, die nicht dem damals üblichen Frauenbild entsprechen. Sie wollen ihre eigenen Wege gehen, ihre Selbstständigkeit bewahren. Inwieweit ihnen das auch in Zukunft gelingen kann und wird, wird erst der zweite Band dieser Saga offenbaren.

Dieser Roman hat mich unheimlich begeistert. Angefangen von den sympathischen Protagonistinnen, deren Leben spannend erzählt wird, abwechslungsreich, mit romantischen Momenten, dramatischen Ereignissen, mit Szenen voller Emotionen und einer Lebendigkeit, die einen hineinzieht in den Roman, dass man meint, mit dabei zu sein. Dazu gewinnt man faszinierende Einblicke in die Malerei jener Epoche und in das Künstlerleben am Montmartre.

Ein wahres Lesehighlight und somit eine unbedingte Leseempfehlung und 5 Punkte.