Ausführlich und lehrreich

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caillean79 Avatar

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Der 2. Weltkrieg aus einer ganz neuen Perspektive - das war es, was mich am Sachbuch "Monuments Men" gereizt hat. Und ich wurde nicht enttäuscht.

Erzählt wird die Geschichte der "Monuments Men", einer kleinen Spezialeinheit der Alliierten mit der Aufgabe, Europas Kulturschätze im 2. Weltkrieg vor der Zerstörung zu retten (oder zumindest die Zerstörungen auf ein Minimum zu beschränken). Der Autor berichtet ausführlich und detailreich von den etwas chaotischen Anfängen der Einheit bis zu verschiedensten detaillierten Schilderungen über einzelne Aufträge.

Ich muss zugeben, so richtig interessant wurde das Buch für mich aber erst nach ca. 100 Seiten. Denn in diesem ersten Abschnitt wird die Entstehungsgeschichte der Monuments Men sehr detailverliebt wiedergegeben - was sicherlich eine tolle Recherchearbeit ist, aber nicht unbedingt aufregend zu lesen. Dafür sind die weiteren Kapitel, in denen es dann darum geht, wie die Kultur-Offiziere ihre tägliche Arbeit verrichten und welche Kulturschätze sie retten bzw. in Sicherheit bringen konnten, umso interessanter. Da der Autor an vielen Stellen einen fast romanhaften Erzählstil benutzt, erfährt man in vielen gut aufbereiteten Einzelgeschichten Interessantes über diese riesige kulturelle Rettungsaktion. Dass sie quasi im Verborgenen stattfand und nicht an die buchstäbliche große Glocke gehängt wurde, wird in den Berichten ebenfalls deutlich. Auch die Schwierigkeiten, vor denen die Monuments Men standen, werden herausgehoben. So war z. B. vielen (anderen) ranghohen Offizieren gar nicht bewusst, dass es eine solche Einheit gab. Und/oder sie schätzten deren Bedeutung nicht hoch. In einer Zeit, in der die Befehlshaber die Verantwortung für tausende Menschenleben hatten, war vielen nicht klar, warum eine einzelne 1,20 m hohe Madonnen-Statue plötzlich unbedingt aus einer einsturzgefährdeten Kirche evakuiert werden musste...

Bei mir hat das Lesen des Buches vor allem eines bewirkt: ich bin mir jetzt viel bewusster darüber, welches Wunder es ist, dass ich so viele berühmte Kunstwerke nach so vielen Jahrhunderten und zwei Weltkriegen im Museum bewundern kann, als wären sie schon immer dort gewesen. Wenn man in einer Gemäldegalerie ist oder einem Museum, macht man sich kaum Gedanken, wie die Kunstwerke wohl dahin gekommen sind, oder welche wechselvolle und teilweise tragische Geschichte jedes einzelne in sich trägt. Und allein für dieses Bewusstsein hat es sich gelohnt, das Buch zu lesen.

Sicherlich, ein Sachbuch wartet immer mit so vielen Informationen auf, dass man vieles auch wieder vergisst und sich wahrscheinlich nur an bestimmte Anekdoten erinnert, die einen besonders beeindruckt haben. Ein Sachbuch "in einem Rutsch" durchzulesen, ist auch schwerere Kost als einen spannenden Krimi zu verschlingen. Trotzdem - in diesem Fall war es das wert. Für Leute, die kulturell interessiert sind und vor einem 500-Seiten-Wälzer nicht zurückschrecken, ist es (wenn man die ersten 100 Seiten erstmal "geschafft" hat) eine interessante, zuweilen auch richtig spannende Lektüre!