Atemloses Rätselraten bis zum Schluss

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aischa Avatar

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Sehsüchtig hatte ich gehofft, dass nach "Die rätselhaften Honjin-Morde" auch weitere Bände der Reihe um den kauzigen Privatdetektiv Kosuke Kindaichi ins Deutsche übersetzt würden. Nun liegt endlich "Mord auf der Insel Gokumon" vor, und ich wurde nicht enttäuscht.
Schon das Setting bietet reichlich Grusel, war die karge Felseninsel doch einst Piatenstützpunkt und später Sträflingskolonie. Die Geschichte spielt im Japan kurz nach Ende des zweiten Weltkrieges und erschien im Original bereits 1971. Ich habe mich sehr gerne auf die spannende Zeitreise eingelassen.
Im Vordergrund stehen natürlich die Morde und deren Aufklärung, und Seishi Yokomizo versteht es ebenso meisterlich wie seine britischen Kolleg*innen Arthur Conan Doyle und Agatha Christie, zahlreiche Hinweise auf den Tathergang, aber auch falsche Fährten einzubauen, so dass man fieberhaft miträtselt und letztendlich doch von der Auflösung überrascht wird. Neben dem Kriminalfall kann man aber auch einiges über die japanische Gesellschaft vor gut 70 Jahren erfahren. Diese war nach dem zweiten Weltkrieg sehr gebeutelt; einerseits wirtschaftlich, andererseits werden starre Traditionen in Frage gestellt, etwa der bedingungslose Gehorsam und ein - aus heutiger und westeuropäischer Sicht - seltsam anmutender Ehrbegriff.
Ursula Gräfe hat diesen Whodunit (inklusive einiger Haikus) nicht nur großartig übersetzt, sondern auch um ein hilfreiches Glossar ergänzt. Bleibt zu hoffen, dass sie noch viele der 77 Originalbände der deutschsprachigen Leserschaft zugänglich macht.