Solider Krimi ohne großen Weihnachtsbezug

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holdesschaf Avatar

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Ex-Polizistin Roz muss unbedingt den Zug nach Fort William erwischen, um rechtzeitig für ihre Tochter da zu sein, wenn diese ihr Baby auf die Welt bringt. Das Band zwischen den beiden war nie so eng, daher würde Roz alles tun, um sie dieses Mal zu unterstützen. Doch weder das Wetter noch die Mitfahrenden spielen richtig mit. Auch in Roz sieht es sehr finster aus. Ein Ereignis ihrer Vergangenheit wird durch die Geburt wieder aufgerührt, das Roz am liebsten vergessen würde. Da nur wenige Passagiere im Nachtzug sind, verbringen die 18 Personen den Abend miteinander. Doch mindestens einer von ihnen wird die Nacht nicht überleben. Denn unter ihnen ist ein Mörder mit einem Plan.

Ich lese sehr gern britische Krimi-Klassiker, vor allem Agatha Christie, daher war ich gleich interessiert, wie das Motiv a la Orientexpress hier weihnachtlich ausgeschmückt wird. Sehr schnell wird klar, dass im Buch jedoch eher ernstere Töne gespielt werden. Vor allem Protagonistin Roz belastet ein Ereignis aus der Vergangenheit, das wenig enge Verhältnis zur Tochter und ein mögliches Zuspätkommen und Enttäuschen sehr. Glücklicherweise ist es gerade ihr gebuchter Nachtexpress, der trotz starker Schneefälle doch mit Verspätung Richtung Schottland fährt, wo Roz Tochter bereits in den Wehen liegt. Die Sorge um Tochter und Enkelin treibt sie um. Eher als Ablenkung und mit geschultem Auge einer Polizistin studiert sie die Mitfahrer*innen, eine gute Mischung aus Familie mit Kindern, quizzenden Student*innen, einem Staatsanwalt, der Roz bekannt vorkommt, einer alten Dame samt Sohn, einem Influencer-Pärchen und einem Schwarzfahrer. Die Personen werden allerdings so beschrieben, dass man die unsympathischen sofort erkennt. Bei den anderen blieb ich als Leserin eher distanziert. Den größten Raum im Krimi nehmen Roz Gedanken und die Beschreibung der Personen und des Abends ein. Daher dauert es auch etwas, bis das erste Opfer auftaucht.

Die Autorin schildert dann den weiteren Verlauf und die eher oberflächlichen Beobachtungen und Ermittlungen. Es finden Befragungen statt und immer wieder erfährt man mehr über Roz. Gerade mit einer Leiche im Zug hätte ich mir da etwas mehr Spannung und Finesse erwartet. Das Thema auf das der ganze Fall hinausläuft ist relativ früh erkennbar und so wundern manche Entdeckungen nicht mehr so sehr. Einiges ist aber auch anders als erwartet. Der Krimi ist handwerklich solide gemacht, könnte jedoch etwas fesselnder sein. Zu viel wird durch Reden herausgefunden. Dass das Buch Mord im Christmas Express heißt, finde ich auch nicht ganz glücklich gewählt, da Weihnachten jetzt keine so große Rolle spielt und man doch eine Story erwartet, die eher Richtung cosy Crime geht. Das Wohlfühlmoment fehlt hier aber völlig. Eigentlich überwiegen doch recht stark die negativen Gefühle der Protagonist*innen, was bei ihren Erlebnissen auch kein Wunder ist. Das Buch lässt sich ganz gut lesen, ist aber eben nicht der cosy Weihnachtskrimi, den man erwarten könnte. 3,5 Sterne