Für junge (und junggebliebene) Detektiv:innen

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ceciliasophie Avatar

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Eine junge Detektivin im viktorianischen London und ein Fall, für den sich scheinbar niemand zu interessieren scheint. Doch Myrtle Hardcastle lässt sich durch nichts und niemanden beirren – vor allem nicht von Erwachsenen! – und ermittelt weiter in dem Fall ihrer toten Nachbarin.

Myrtle ist eine wirklich sehr aufgeweckte Protagonistin mit einem sehr ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit und einer Spürnase für rätselhafte Begebenheiten. In Myrtle habe ich eine Buchheldin gefunden, die ich gerne meinen Kindern zeigen würde – sofern ich denn welche hätte. Aber sie ist die Protagonistin, die ich als junges Mädchen geliebt hätte. Von ihrer Art und Weise erinnerte sie mich stark an Calpurnia aus Calpurnias (r)evolutionäre Entdeckungen von Jacqueline Kelly. Beide sind sehr intelligente, wissbegierige Mädchen, die die Welt mit anderen Augen sehen. Myrtle ist neugierig, hungrig auf mehr und mehr Wissen und unerschrocken.
Und auch die anderen Charaktere haben mir sehr gut gefallen. Die Autorin hat die Nebencharaktere ebenso detailverliebt beschrieben, so dass alle sehr farbenfroh wirkten, mit Ecken und Kanten, nicht bloß blass und als reines Mittel zum Zweck geschrieben.
Allen voran natürlich Miss Judson, die Gouvernante von Myrtle, die doch so anders ist, als man sich klischeebehaftet eine Gouvernante vorstellt.
Auch die Diversität der Charaktere ist mir positiv aufgefallen.
Ein bisschen geschmälert wird meine sonst sehr positive Meinung von Myrtle nur dadurch, dass sie von der Autorin als „keines dieser Mädchen“ beschrieben wird. Die anderen Mädchen in Myrtles Alter und Umfeld sind blöd, gemein, interessieren sich nur für langweilige Sachen und wollen andauernd Tee trinken. Einen kleinen Hoffnungsschimmer gab es immerhin zum Ende hin, aber diese Form der „Einzigartigkeit“ von Myrtle ist mein wirklich kleiner Kritikpunkt an der Charakterisierung.

Der Plot hat mir gut gefallen. Das Tempo ist an der ein oder anderen Stelle vielleicht etwas ins Stocken geraten. Aber dies fällt im Gesamten wenig ins Gewicht.
Zum Ende der Handlung hin gab es einen Plottwist, den ich so nicht habe kommen sehen. Darüber habe ich mich unheimlich gefreut, da ich in letzter Zeit viel zu viele sehr vorhersehbare Krimis gelesen habe. Auf Goodreads habe ich mir nach Beenden des Buches etliche Rezensionen durchgelesen und anderen Lesern scheint es eher anders gegangen zu sein. Ich für meinen Teil war über die Wendung und Überraschung jedoch begeistert.

Sehr gut gefallen haben mir die vielen Fußnoten, in denen die Autorin Wörter und Gegenstände näher erklärte. Mir ist wirklich sehr positiv aufgefallen, dass die Autorin in der Beschreibung der Welt um Myrtle sehr detailgetreu und zeitgemäß (für damalige Verhältnisse) geblieben ist und sich dazu entschlossen hat, die Begrifflichkeiten zu verwenden und an gegebener Stelle zu erklären. So habe auch ich noch lernen können, was Posamente (geknotete Verschlüsse aus Seide) sind.

Ich kann das Buch jungen Detektiv:innen nur empfehlen! Und auch für den ein oder anderen Erwachsenen wird dieser Cozy Crime Roman etwas sein.
Ich freue mich nun sehr auf die weiteren Bände rund um Myrtle und ihre Abenteuer.