Toller Krimi mit viel Lokalkolorit

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marionhh Avatar

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Die junge Kölner Kommissarin Hannah Richter wird im Rahmen eines EU-Austauschprogramms in die Provence versetzt, dort soll sie drei Monate in drei verschiedenen Städten die französische Polizeiarbeit kennenlernen. Ihre erste Station ist das geschichtsträchtige Vaison-la-Romaine, was Hannah sehr entgegen kommt, denn sie hat ein großes Faible für die Antike. Hannah richtet sich auf einen gemütlichen Aufenthalt in dem betulichen Örtchen ein. Als jedoch ein Mann erhängt im römischen Theater von Orange gefunden wird, eilt sie zum Tatort und zweifelt schon bald an der Selbstmord-Theorie der örtlichen Polizei. Der Chef ihrer Dienststelle legt ihr allerdings Steine in den Weg, er verbietet ihr ihre Theorie weiter zu verfolgen. Durch Zufall erlangt Hannah Kenntnis von anderen, ähnlich gearteten Fällen, und sie vermutet einen Zusammenhang. Im Geheimen beginnt sie zu ermitteln, tatkräftig unterstützt von ihren neuen Bekannten vor Ort…

Ein sehr gut geschriebener, spannender Roman mit einer sympathischen Hauptakteurin und liebenswerten und interessanten Charakteren! Eingerahmt in Prolog und Epilog liest sich die Geschichte flüssig, der Leser ist sofort drin und fiebert mit. Zusätzlich zu Pro- und Epilog baut die Autorin Spannung auf, indem sie Teile aus Täter- und Opfersicht erzählt, was einen noch mehr in die Handlung hineinzieht. Der Stil ist nicht unbedingt hochgeistig anspruchsvoll, aber dermaßen eingängig, dass man das Buch kaum aus der Hand legen kann. Der Zeitraum der Handlung umspannt etwa einen Monat und beginnt eine Woche nach Hannahs Ankunft in Vaison. Da sie gemäß Anordnung ihres Chefs Bernard nicht offiziell ermitteln darf, dauert es geraume Zeit, bis die eigentliche Kriminalgeschichte so richtig in Fahrt kommt. Das tut aber der Spannung keinen Abbruch, in dieser Zeit knüpft sie für sie wichtige Kontakte und erlebt so manche zwischenmenschliche Überraschung. Ihr Interesse an der römischen Antike beschert dem Leser den einen oder anderen Exkurs in die örtliche Historie, dies jedoch nicht schulmeisterlich, sondern so anschaulich, dass man als Leser das Gefühl hat, man steht direkt mit Hannah vor der historischen Stätte.
Die Autorin versteht es sehr gut, die Idylle des malerischen Ortes, historische Fakten und den Krimi in Einklang zu bringen und zu einem großen Ganzen zu verweben, so dass einem nie langweilig wird.

Hannah selbst sticht schon sehr aus den Figuren heraus, zum Einen, weil sie als großgewachsene blonde, mitunter etwas spröde Deutsche das äußerliche Gegenteil der kapriziösen Französinnen darstellt, zum Anderen beruflich, denn sie ist eine Vollblutermittlerin, die sich in ihre Fälle verbeißt, wenn sie von einer Theorie überzeugt ist, und die sich durch nichts aufhalten lässt. Man muss jedoch festhalten, dass sie an diesen Fall mehr durch Zufall beziehungsweise durch ihr Interesse an der römischen Geschichte gerät, denn nur durch ihre Besichtigungen erfährt sie etwas über die Geschehnisse. Des Weiteren wäre sie ohne die Hilfe ihrer Zufallsbekanntschaften ziemlich aufgeschmissen, denn diese erweisen sich als gute Freunde und helfen ihr mit Orts- und Geschichtskenntnissen, und besonders die Polizeikollegen – ob pensioniert oder aktiv – stellen ihr wertvolle Informationen zur Verfügung. Doch es ist Hannahs Gespür und Hartnäckigkeit sowie ihre Schlussfolgerungen, die den Fall lösen.

Hannahs Figur und auch alle anderen Charaktere sind liebevoll und detailliert gezeichnet, man findet sich sowohl in der kapriziösen, dennoch philosophisch-weisen Penelope als auch in Serge, der sich oft in musikwissenschaftlichen Exkursen verliert, oder in anderen wieder, Anatol etwa verkörpert das provencalische Laissez-faire, Bernard den etwas altmodischen Chef. Neben all diesen netten Details geht es aber vor allem um Verbrechen, und nicht nur eines, denn die Autorin verknüpft hier mehrere zusammenhängende und bis in die Vergangenheit reichende Taten, die es zu lösen gilt. Wohltuenderweise verzichtet sie jedoch auf blutrünstige Ausschweifungen, die präzisen knappen Andeutungen reichen für die Fantasie völlig aus, um den Schrecken zu erahnen. In dem Maße, wie Hannahs Kontakte sich erweitern und ihre Eingewöhnung voranschreitet, in dem Maße bringt sie auch langsam Licht ins Dunkel dieser alten Geschichten.

Fazit: Ein sehr gelungenes Romandebüt über eine tolle Ermittlerin, mit viel Lokalkolorit und sympathischen Charakteren. Das trotz kompletter Auflösung eher offene Ende lässt hoffen, dass dies nicht der letzte Fall für Hannah gewesen ist! Für alle Fans des Genres ein Muss, aber auch für Einsteiger gut geeignet, weil es sich einfach supergut lesen lässt und nie langweilig wird.