Die Vergangenheit erklärt vieles

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
schlumeline Avatar

Von

Lioba ist 42 Jahre und lebt als freischaffende Künstlerin in Berlin. Sie steht kurz vor ihrer ersten offiziellen Ausstellung in einer Galerie und hat gerade festgestellt, dass sie schwanger ist. Der Vater des ungeborenen Kindes ist Dominic, Liobas verheirateter Liebhaber. Durch die Schwangerschaft und die damit einhergehenden hormonellen Veränderungen, gehen auch in Lioba Veränderungen vor. Sie möchte mehr über ihre Vergangenheit wissen, ihren Vater kennenlernen, den ihre Mutter ihr bisher verschwiegen hat und sich darüber klar werden, wie sie überhaupt zu dem ungeborenen Leben in ihrem Körper steht.

Als Liobas Mutter von Köln anreist und die Ausstellungseröffnung ihrer Tochter besucht, konfrontiert Lioba diese mit ihren Fragen nach der Vergangenheit. Die Mutter scheint damit überfordert, sie erleidet kurz darauf einen Schlaganfall und kommt ins Krankenhaus. Die Aussichten sind nicht gut, vermutlich bleibt die alte Frau ein Pflegefall. Lioba fährt nach Köln um in der Wohnung der Mutter die allernötigsten Dinge für den Aufenthalt im Krankenhaus zu holen. Dabei findet sie auch Bilder, Briefe und andere Hinweise auf das Leben ihrer Mutter, auf deren Beziehungen und ihre Vergangenheit. Eine Reise, die Lioba helfen wird zu verstehen, die sie beeinflusst und verändert, beginnt.

Der Leser wird mit Hilfe von zwei ganz unterschiedlichen Handlungssträngen durch die Geschichte geführt. Es gibt das hier und jetzt mit Liobas Leben, ihren Freunden, ihrer sexuellen Beziehung zu Dominic und ihrer Kunst und es gibt die Geschichte einer Familie, besser gesagt zweier Kinder, die in den Wirren des Krieges beginnt und sie durch viele schwere Stunden begleitet. Der vollständige Zusammenhang wird erst ziemlich gegen Ende des Buches klar. Vorher kann man ihn allenfalls bruchstückhaft erahnen.

Mila Lippke schafft es ihrem Roman viel Tiefe zu geben. „Morgen bis du noch da“ ist zwar ein vermutlich in erster Linie von Frauen gelesener und für Frauen geschriebener Roman, aber keinesfalls eine oberflächliche Geschichte. Die Charaktere und ihre Lebenswege sind detailliert und mit großer Genauigkeit und Liebe zum Detail beschrieben. Hier wird nichts schön geredet, sondern mit klaren Worten die Realität geschildert.

Das Cover führt etwas in die Irre, deutet auf eine lockere, fröhliche Geschichte hin. Wer mit dieser Erwartungshaltung zum Buch greift, wird verwundert sein. Er sollte sich öffnen für diese emotional ausgefeilte Lebensgeschichte, für das Entbehren und die Trauer, aber auch für die Liebe und das Leben. Wenn der Leser das tut, dann wird er von diesem Roman begeistert sein.

Was bleibt ist klar: „Morgen bis du noch da“. Sieh nach vorne. Die Vergangenheit können wir nicht verändern, aber wir können sie akzeptieren und Dinge verzeihen, die falsch oder nicht gut waren. Was wir lernen müssen ist zu verstehen.