Morgen bist du noch da

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regenprinz Avatar

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Nach zwei historischen Krimis und "Irgendwie mein Leben" war dies das vierte Buch, das ich von Mila Lippke gelesen habe und ich finde diese Autorin unglaublich vielseitig. Und das Prädikat "Unterhaltungsroman" scheint mir echt zu dürftig, um dieses Buch zu beschreiben. Ja, es liest sich leicht und flüssig, die Hauptfigur Lioba ist als 42-jährige Künstlerin mit bewegter Vergangenheit und unkonventionellem Lebensstil auch eine typische Vertreterin des Genres, aber gleichzeitig beinhaltet das Buch soviele ernste, wichtige, nachdenklich machende Themen, dass man ihm meiner Meinung nach nicht gerecht wird, wenn man es bloß unter dem Unterhaltungsaspekt einordnet.

Sehr schön finde ich, wie die beiden Handlungsstränge erst ganz allmählich zusammengeführt werden und man beim Lesen erkennt, wem eigentlich diese Mädchenstimme aus der Vergangenheit gehört. Die Geschichte offenbart Tragisches, teils aus anderen Büchern Vertrautes, doch hier ganz neu ausgestaltet - die Wortspiele mit den Farben fand ich z.B. ungeheuer eindringlich. Die kleinen Detailinfos zu Kunsttechniken oder Porzellanmalerei waren spannend dargestellt und bereicherten die Familiengeschichte im Zentrum des Romans. Dass mit Tetra und Lioba auch noch ein feministischer Hintergrund dazukam, passte ebenfalls gut ins Gesamtbild (und "das Meretlein" wird mir wohl noch lange im Gedächtnis bleiben ...). Die Figuren wirken jedenfalls alle authentisch und glaubhaft - wenn auch, wie Dominic und seine Gattin oder das Kunstmännchen, nicht immer sympathisch. Aber das sollen sie ja vermutlich auch nicht sein.

Trotz der mitunter sehr traurigen Inhalte erscheint das Buch nie erdrückend schwer oder düster. Das Ende (bzw. der Ausblick mit dem Mehrgenerationenhaus und wer dort einzieht) war mir dann sogar fast ein bisschen zu rosarot. Den positiven Gesamteindruck schwächte das aber nur minimal.