Ein Puppenhaus

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mammutkeks Avatar

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In Band 5 der Reihe von Tania Carver um Phil Brennan, seines Zeichens DI bei der Polizei, und Marina Esposito, Profilerin und Psychologin, hat - wie in so vielen Thrillern und Krimis der jüngsten Zeit - "50 Shades of Grey" Einzug gehalten. Gewalt, Fesseln, BDSM usw. usw. - all das, was ich eigentlich nicht wirklich lesen möchte. Erst recht nicht aus verschiedenen Perspektiven und mit diversen Grausamkeiten. Der Appell dahinter, dass alles ok ist, so weit es einvernehmlich geschieht, den kann ich bedenkenlos unterschreiben. Allerdings muss meines Erachtens diese ganze Frage nicht unbedingt in jedem aktuellen Buch auftauchen!
Doch bevor die Kritik weiter geht, ein paar Worte zur Handlung: Nach den emotional belastenden Erfahrungen aus Band 4 sind Brennan und Esposito nach Birmingham gezogen, wo beide eine Stelle bekommen haben. Brennan als leitender Ermittler, Esposito an der Universität.
In seiner Funktion wird Brennan zu einem Mord gerufen: Eine Art Mord im Puppenhaus. Denn genau so ist das Wohnzimmer hergerichtet, in dem die Leiche sitzt. Und diese ist, entgegen der ersten Vermutungen, keine Frau, sondern ein Transvestit. Und dieser soll sich seinen Tod gewünscht haben. Genau wie später Keith, der durch Krebs und Diabetes seine Unterschenkel amputiert bekommen hat, und nun nur noch dahinvegetiert. Allerdings läuft dieser Mord ein wenig aus dem Ruder - und wird zunächst auch nicht mit dem an Amanda/Glenn in Verbindung gebracht.
Marina hat derweil mit einem ihrer Kollegen zu kämpfen: Hugo Gwilym, ein Selbstdarsteller und Unsympath vor dem Herrn. Dieser hat ihr bei der Weihnachtsfeier offenbar etwas in den Drink gemischt und behauptet nun, dass sie Sex miteinander hatten. Warum er dies tut, bleibt lange im Unklaren - und löst sich auch am Ende nicht schlüssig auf. Leider! Marina verfällt auf jeden Fall in eine eigenartige Lethargie, wirkt wie ein völlig unbeholfener Teenager, der zum ersten Mal mit etwas "bösem" in Kontakt gekommen ist - und nicht wie eine profilierte Psychologin, die bereits vielfältige Erfahrungen mit Psychopathen und Co. gemacht hat. Das ist mehr als unlogisch!

Ich bin mir nicht sicher, ob in den ersten Bänden der Reihe auch so viele störende Wiederholungen aufgetaucht sind. Ob es dort auch zwischen den einzelnen Kapiteln solch große Spannungsdifferenzen gegeben hat. Bei "Morgen früh, wenn du willst" ist es mir extrem aufgefallen - und zwar negativ. Viele Handlungsstränge werden aus verschiedenen Perspektiven erzählt, was nicht weiter schlimm ist, manchmal sogar zur Aufklärung und Spannung beitragen kann. Hier ist dies allerdings nicht der Fall. Es ermüdet. Noch dazu gibt es Stilbrüche, die mich gestört haben.
Zu guter Letzt noch ein paar Worte zum Cover und zum Titel: Beide erschließen sich mir nicht. Der Originaltitel "The Doll's House" klingt noch logisch, "Morgen früh, wenn du willst" bringe ich mit einem Kinderlied in Verbindung, nicht aber mit der gelesen Geschichte. Und am Cover erklären sich mir nur die MacGyver-Tape-Streifen.

Insgesamt hab ich das Gefühl, dass Tania Carver, bzw. Martyn und Linda Waites, die hinter dem Pseudonym stecken, einfach zu viel wollten: Gesellschaftliche Anerkennung des "Anderen", eine Debatte um Manipulierbarkeit, um die Rolle des Rechtsstaats, um Korrumpierbarkeit usw. usw. Dabei bleibt die Personengestaltung auf der Strecke - viele sind äußerst eindimensional und nur unzureichend charakterisiert. Und viele der Themen werden eben nur angerissen.