Beeindruckendes Debüt

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MEINE MEINUNG
In seinem beeindruckenden Debütroman „Morgen und für immer“ erzählt der bekannte italienisch-albanische Singer-Songwriter Ermal Meta die faszinierende und sehr bewegende Lebensgeschichte seines albanischen Protagonisten Kajan und seiner Familie vor dem Hintergrund der ereignis- und konfliktreichen Zeit zur zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
„Morgen und für immer“ ist eine schmerzhafte und schonungslose Auseinandersetzung des Autors mit seinem früheren Heimatland Albanien und zugleich eine liebevolle Hommage an ein geschundenes Land und seine leidgeprüfte Bevölkerung.
Gekonnt skizziert Meta das facettenreiche Portrait eines Landes, dessen Geschicke nach den alptraumhaften Geschehnissen während des zweiten Weltkriegs durch eine totalitäre Führung einem weiteren unfassbaren Horrorszenario unterworfen wurde.
In seinem in sechs Teilen untergliederten Roman beleuchtet der Autor in verschiedenen, anschaulich ausgearbeiteten Episoden nicht nur bedeutsame Abschnitte im Leben des Protagonisten, sondern auch wichtige historische Hintergründe und die bewegte Vergangenheit seines Landes. Er präsentiert uns schockierende Einblicke in die grausamen Auswüchse des kommunistischen Terrorregimes unter der Führung des Enver Hoxhas, einem großen Bewunderer des Stalinismus, der 1944 die Macht übernahm und bis 1991 das Ruder fest in der Hand behielt. Die bei uns kaum bekannte Epoche der albanischen Landesgeschichte war gekennzeichnet von fortwährender Einschüchterung und Terrorisierung der Bevölkerung, gnadenloser Verfolgung von Regimegegnern und Delinquenten, die auch vor treuen Mitstreitern nichtHalt machte und viele in die berüchtigten Folterkammern bis hin ins Gulag brachte. Die Geschichte eines von einem grauenvollen Schreckensregime drangsalierten Volkes führt der Autor uns am erschütternden Einzelschicksal seines fiktiven Protagonisten äußerst eindringlich vor Augen.
Beginnend im Kriegsjahr 1943 lernen wir den 7–jährigen Kajan kennen, der bei seinem Großvater auf dem Land aufwächst, während seine Eltern als Partisanen gegen die deutsche Wehrmacht kämpfen. Sein Leben nimmt eine unerwartete Wendung, als er von dem desertierten deutschen Soldaten und Pianisten Cornelius das Klavierspielen lernt und der Grundstein für seine spätere Karriere als bekannter Pianist und Ausnahmetalent gelegt wird. Im Laufe der Handlung begleiten wir den faszinierenden, charakterstarken Protagonisten auf seinem beeindruckenden, abenteuerlichen Lebensweg mit vielen Höhen und Tiefen sowie sehr tragischen Verwicklungen.
Chronologisch, aber mit etlichen Zeitsprüngen erzählt Meta in vielen fesselnden und sehr eindrucksvollen Episoden von bedeutsamen Ereignissen in Kajans Leben, aber auch schockierende Details aus seiner Familiengeschichte. In verschiedenen Stationen erleben wir sein Heranwachsen in Tirana bei seiner strengen, Parteitreuen Mutter mit, seine erste großen Liebe, die höchst tragisch endete, seine abenteuerliche Reise in die DDR zu einem musikalischen Wettbewerb, seine eher unfreiwilligen Flucht nach Westberlin, die Ausreise in die USA und spätere Karriere als Jazzmusiker.
Meta hat seinen Protagonisten sehr vielschichtig und glaubhaft ausgearbeitet. Es ist sehr faszinierend seine persönliche Entwicklung und Erkenntnisprozesse mitzuverfolgen. Er ist ein lebendiger Charakter mit einer eigenwilligen und willensstarken Persönlichkeit, der auch einigen fatalen Fehleinschätzungen erliegt. Seine Handlungen, die bisweilen zwischen Rebellion, Anpassung und Resignation schwankten, waren für mich weitgehend nachvollziehbar. Gekonnt thematisiert der Autor immer wieder Kajans Leidenschaft für Musik, die ihm in vielen widrigen Situationen Kraft spendete und ihm als eine Art universelle Ausdrucksform ermöglichte mit Krisen, schmerzlichen Verlusten und unfassbarem Leid umzugehen und einer hoffnungsvolleren Zukunft entgegen zu sehen.
Beim Lesen beschäftigen einen zudem unheilvolle Gedanken an unbekannte Schicksale verschiedener Charaktere, die am Ende der Handlung wieder aufgegriffen und schließlich aufgedeckt werden.
Die Enthüllungen über grenzenlosen Egoismus, Verrat und ideologischer Verblendung geben schockierende Einblicke in die Abgründe der menschlichen Seele, die verstören und sehr nachdenklich stimmen.
Meta ist es gut gelungen, bedeutsame Stationen in Kajans bewegten Leben einzufangen und diese zu einer fesselnden, abwechslungsreichen und erschütternden Geschichte zusammen zu fügen.
Für meinen Geschmack hat Meta allerdings hinsichtlich der vielen zufälligen Begegnungen und einiger höchst tragischer Verwicklungen seine Geschichte etwas zu sehr verdichtet und überdramatisiert, um noch glaubhaft zu sein.
Der versöhnliche und sehr hoffnungsvolle Ausklang der Geschichte ist sehr gelungen.