Nie wieder Diktatur!

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kleine hexe Avatar

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Ein beeindruckendes Buch. Ein wenig Menschlichkeit im gnadenlosen Krieg: Ein alter Mann und sein Enkel nehmen einen deutschen Deserteur bei sich auf, helfen sich gegenseitig. Der deutsche Soldat hilft im Haus und Hof mit, bringt dem jungen Kajan Klavierspielen bei und die deutsche Sprache. Kajan seinerseits lehrt Cornelius das Albanische. Und dann kommt das Kriegsende. Cornelius wird von albanischen Partisanen abgeführt, er soll heim nach Dresden. Kajans Eltern kehren zurück aus dem Krieg, Selie, seine Mutter besteigt einen bedeutungsvollen Posten in Tirana, Kajan wird ein berühmter Klavierspieler in Albanien.
Inzwischen hat die Diktatur der albanischen kommunistischen Partei alles im festen und tödlichen Würgegriff. Wer nur ansatzweise anders denkt, wird sofort verhaftet, Alles wird sofort politisch gedeutet. Wenn man sich harmlos mit Freunden trifft, ist das eine “illegale Gründung reaktionärer Zellen” und “Verbreitung von gefährlichem Propagandamaterial”(S. 109). Der Terror geht noch weiter. Angehörige von “Landesverrätern”, Flüchtlingen, auch von missglückten Fluchtversuchen müssen ins Straflager oder ins Gefängnis. Das albanische Regime steht dem Nordkoreanischen in nichts nach. Um die Linientreue zu beweisen, werden Menschen zu Verrätern am eigenen Fleisch und Blut, opfern sie und denunzieren sie der Polizei, ohne sie anzuhören, ohne ihnen die geringste Chance einer Erklärung zu bieten.
Das Leben in Tirana und in Ost-Berlin verlaufen auf fast identischen Schienen. Alles erscheint grau, unfreundlich, gefährlich. Die Menschen blicken immer nur zu Boden, gehen mit gebeugten Schultern und gesenkten Köpfen. Angst ist allgegenwärtig, die Stasi ist in Ostberlin genauso effizient wie der Inlandsgeheimdienst in Tirana.
Der schlichte geradlinige Stil, die klaren Bilder, die vom schweren und einfachen Leben in den albanischen Bergen bezeugen, die Szenen in Ostberlin, in Westberlin und in den Vereinigten Staaten, alles ist Teil dieses beeindruckenden Buches. Unerwartete Wiedersehen, totgeglaubte Menschen, das Wiederfinden der großen Liebe, zuerst in den USA, dann in Albanien, alles fügt sich harmonisch wie in einem wunderbaren Klavierkonzert zusammen. Der Epilog ist der Schlussakkord, der die letzten Fäden die noch offen geblieben waren, verbindet, das Schicksal der Haupt- und Nebengestalten des Buches klärt und uns aufatmen lässt. Die stille Hoffnung keimt auf, mögen die heute noch bestehenden Diktaturen in Europa und in der Welt auch zu Ende gehen, ob friedlich, wie in der ehemaligen Tschechoslowakei, Ungarn oder der DDR, oder blutig, wie in Rumänien, Hauptsache sie gehen zu Ende und kehren nie, nie wieder.