Morgenland

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annajo Avatar

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In Abarbanells "Morgenland", bzw. der Leseprobe daraus, geht es um eine junge Jüdin, Lilya Tova Wasserfall, die sich im Jahr 1946 dem Widerstand gegen die britische Besatzung Palästinas anschließt. Doch statt die Expertin für Dechiffrierung an einem entscheidenden Schlag gegen die Briten zu beteiligen, bekommt sie die Aufgabe, einen verschollenen und totgeglaubten jüdischen Wissenschaftler in Deutschland aufzuspüren. Sonderlich begeistert ist Lilya nicht, doch am Ende der Leseprobe glaubte ich bereits fest daran, dass sie die Unterlagen des Bruders auf jeden Fall prüfen wird.

Bereits die Leseprobe schneidet viele verschiedene Themen an. Zum einen geht es um die britische Herrschaft in Palästina und deren Willkür; ein Freund Lilyas wird auf offener Straße verhaftet. Auch die Widerstandsbewegung wird bereits ansatzweise beschrieben. Doch es gibt auch eine persönliche Tragödie, wie es scheint, die Lilya dazu motiviert, sich am Widerstand zu beteiligen. Ein Ziehbruder spielte einmal eine wichtige Rolle in ihrem Leben. Und dann ist da, im Jahr 1946, noch das Kriegsende des Zweiten Weltkriegs. Der Welt wird erst langsam bewusst, was in Deutschland geschehen ist und es ist für viele noch gar nicht begreifbar: "Zeichne ein Ungeheuer auf einen Bierdeckel, und es bleibt immer noch ein daumengroßes Tier." (S. 28) Am Einzelfall Raphael Lind könnte dies exemplarisch dargestellt werden. Auch die Arbeit von Hilfsorganisationen wird bereits erwähnt. Und für eine Prise Spannung sorgt ein mysteriöser Fahrgast im Bus sowie die Tatsache, dass die Briten Raphaels Bruder bewusst über dessen Verbleib belogen haben könnte. Doch warum sollten sie das tun?

Das Buch klingt nach einem ernsthaften und gleichzeitig interessanten Roman, der sich verschiedenen Aspekten widmet. Mir fiel auch auf, dass immer nur die Rede von Palästina war, nie von Israel, sodass das Buch offensichtlich vor der Staatengründung Israels spielt. Ich bin gespannt, ob diese Staatengründung auch Thema des Buches sein wird. Der Titel "Morgenland" ist besonders gut gewählt, da es sich bei dem Schauplatz um die Wiege gleich dreier Religionen handelt. Sprachlich fand ich die Leseprobe ansprechend und anspruchsvoll, mit schönen Metaphern und Gleichnissen. Ein solches Buch würde ich gern über die Leseprobe hinaus weiterlesen.