Sprachlich sehr gelungen: Russische Jugend um die Jahrtausendwende
"Wir waren zu jung, um patriotisch zu sein, und zu alt, um an den Triumph der Gerechtigkeit zu glauben. Die Perspektiven waren überschaubar. Wir könnten natürlich so weiterleben, als gäbe es keine Politik, stattdessen glamourös tun, in der visafreien Türkei Urlaub machen und Shoppingcenter durchstöbern. Wir könnten auch abwarten, ob es irgendwann wieder freie Wahlen, eine echte Opposition und keine Zensur mehr geben würde. Aber am besten würden wir nach Europa emigrieren, jetzt sofort, bevor es noch schlimmer würde, denn es könnte schlimmer werden. Russen flohen nicht zum ersten Mal, in jeder Generation gab es einen Massenexodus, man denke nur an die Bolschewiken vor hundert Jahren.“
Maya Rosa hat mit "Moscow Mule" einen Debütroman geschrieben, der vor allem sprachlich sehr bemerkenswert ist. Sehr viel Wortwitz und Scharfzüngigkeit, das hat mich hier am meisten begeistert!
Die Autorin erzählt die Geschichte von Karina und Tonya, die gemeinsam an einer Moskauer Universität studieren. Sie teilen nicht nur ihre Männergeschichten, sondern auch ihren permanenten Geldmangel. Der große Traum ist es, dem Leben in Russland zu entfliehen und nach Europa auszuwandern.
Die Autorin verbindet in ihrem Roman die politische Lage sehr gekonnt mit dem Leben der beiden jungen Frauen und ihrem unendlichen Drang nach Freiheit und einem besseren Leben.
"Nichts machte uns zynischer als genau diese Weisheit, nämlich dass man nur ein Leben hat und dass es nicht schlecht wäre, es woanders zu verbringen, wo man immer noch die Möglichkeit hätte, sich an eine vertraute Birke anzulehnen, ohne zwischendurch im Kerker zu landen. Bürgerrechte zu haben. Sich bei keinen Behörden anzubiedern und nirgendwo Schmiergeld zu zahlen."
Auch das sehr schwierige Verhältnis von Karina zu ihrer (sehr hart wirkenden) Mutter bringt die Autorin sehr authentisch wieder, genauso wie das sehr liebevolle Verhältnis Karinas zu ihrer Großmutter:
"Meine Oma wusste stets, wie man jemanden aufmuntern konnte. In ihrer Gegenwart war es beinahe unmöglich zu klagen. Wann immer ich irgendwelche Weltuntergangslieder anstimmte, rief sie mich wie ein tibetischer Mönch zur Vernunft mit den drei gleichen Fragen, auf die ich immer mit 'Ja' zu antworten gezwungen war. Bist du am Leben? Bist du gesund? Bist du frei? Das nannte sie 'Die drei großen Vorteile', durch die man nichts weiter zu befürchten hätte. Eingeschüchtert und ermahnt konnte ich meistens nicht weiter jaulen. Einem Menschen, der den Krieg gegen die Faschisten hinter sich hatte und nun die Deutschen mit Pelmeni bewertete, aus dem Dachgeschoss der Erinnerung lachend 'Hände hoch!' und 'Hitler kaputt!' rief, sollte man nicht widersprechen."
Ich habe diesen Debütroman vor allem aufgrund des beachtenswerten Schreibstils sehr gerne gelesen, es sind großartige Sprachbilder und Sätze, die die Autorin hier einbaut:
"Ein paar Tage später und ein Leben älter landete ich wieder in Moskau."
„Ich wusste, dass du nicht alle Tassen im Schrank hast, aber jetzt weiß ich, dass da gar kein Geschirr drin ist, oder?“
„Ich wollte bloß leben, über alle denkbaren Grenzen reisen und frei über alle Straßen laufen.“
"Mein Stolz klebte noch an meinem Schuh wie ein Stück Papier, bis es endgültig an den Zacken der Rolltreppe abgekratzt wurde."
Leider konnte mich die Geschichte an sich, besonders gegen Ende hin, nicht komplett überzeugen. Stellenweise wirkt die Geschichte noch unfertig, es fehlte mir noch etwas.
Daher ziehe ich 1 Stern ab, möchte aber dennoch eine Lesesempfehlung mit 4 Sternen aufgrund der starken Sätze geben und hoffe sehr, von der Autorin bald noch mehr lesen zu dürfen.
Maya Rosa hat mit "Moscow Mule" einen Debütroman geschrieben, der vor allem sprachlich sehr bemerkenswert ist. Sehr viel Wortwitz und Scharfzüngigkeit, das hat mich hier am meisten begeistert!
Die Autorin erzählt die Geschichte von Karina und Tonya, die gemeinsam an einer Moskauer Universität studieren. Sie teilen nicht nur ihre Männergeschichten, sondern auch ihren permanenten Geldmangel. Der große Traum ist es, dem Leben in Russland zu entfliehen und nach Europa auszuwandern.
Die Autorin verbindet in ihrem Roman die politische Lage sehr gekonnt mit dem Leben der beiden jungen Frauen und ihrem unendlichen Drang nach Freiheit und einem besseren Leben.
"Nichts machte uns zynischer als genau diese Weisheit, nämlich dass man nur ein Leben hat und dass es nicht schlecht wäre, es woanders zu verbringen, wo man immer noch die Möglichkeit hätte, sich an eine vertraute Birke anzulehnen, ohne zwischendurch im Kerker zu landen. Bürgerrechte zu haben. Sich bei keinen Behörden anzubiedern und nirgendwo Schmiergeld zu zahlen."
Auch das sehr schwierige Verhältnis von Karina zu ihrer (sehr hart wirkenden) Mutter bringt die Autorin sehr authentisch wieder, genauso wie das sehr liebevolle Verhältnis Karinas zu ihrer Großmutter:
"Meine Oma wusste stets, wie man jemanden aufmuntern konnte. In ihrer Gegenwart war es beinahe unmöglich zu klagen. Wann immer ich irgendwelche Weltuntergangslieder anstimmte, rief sie mich wie ein tibetischer Mönch zur Vernunft mit den drei gleichen Fragen, auf die ich immer mit 'Ja' zu antworten gezwungen war. Bist du am Leben? Bist du gesund? Bist du frei? Das nannte sie 'Die drei großen Vorteile', durch die man nichts weiter zu befürchten hätte. Eingeschüchtert und ermahnt konnte ich meistens nicht weiter jaulen. Einem Menschen, der den Krieg gegen die Faschisten hinter sich hatte und nun die Deutschen mit Pelmeni bewertete, aus dem Dachgeschoss der Erinnerung lachend 'Hände hoch!' und 'Hitler kaputt!' rief, sollte man nicht widersprechen."
Ich habe diesen Debütroman vor allem aufgrund des beachtenswerten Schreibstils sehr gerne gelesen, es sind großartige Sprachbilder und Sätze, die die Autorin hier einbaut:
"Ein paar Tage später und ein Leben älter landete ich wieder in Moskau."
„Ich wusste, dass du nicht alle Tassen im Schrank hast, aber jetzt weiß ich, dass da gar kein Geschirr drin ist, oder?“
„Ich wollte bloß leben, über alle denkbaren Grenzen reisen und frei über alle Straßen laufen.“
"Mein Stolz klebte noch an meinem Schuh wie ein Stück Papier, bis es endgültig an den Zacken der Rolltreppe abgekratzt wurde."
Leider konnte mich die Geschichte an sich, besonders gegen Ende hin, nicht komplett überzeugen. Stellenweise wirkt die Geschichte noch unfertig, es fehlte mir noch etwas.
Daher ziehe ich 1 Stern ab, möchte aber dennoch eine Lesesempfehlung mit 4 Sternen aufgrund der starken Sätze geben und hoffe sehr, von der Autorin bald noch mehr lesen zu dürfen.