Grandios erzählte Geschichte

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sabine Avatar

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In dieses Buch habe ich mich ab der ersten Seite verliebt, und meine Begeisterung hielt bis zum Ende auf Seite 541 an. Ich-Erzählerin Carmelita, genannt Lita, schildert das abenteuerliche Leben mit ihrer jungen, chaotischen, eigensinnigen Mutter, der genialen Schuhverkäuferin und leidenschaftlichen Tangotänzerin Fabiola, hinreißend altklug und mit trockenem Humor.

Aufgewachsen in einem Nonnenkloster in Buenos Aires verbringt Lita viel Zeit allein. Gegen die Einsamkeit erfindet sie einen Freund namens Ei, dem sie ihre zahlreichen Streiche in die Schuhe schiebt. Und sie bastelt Collagen aus Zeitschriften, um sich ein Bild von ihrem unbekannten Vater zu machen.

Als Mutter und Tochter Argentinien überstürzt verlassen müssen, ist Lita 10 Jahre alt. Sie landen auf der wenig einladenden Insel Upper Puffin Island vor der Küste Neufundlands und finden Unterkunft im Seemannsheim Bethlehem, einer Gemeinschaft kauziger, meist älterer Bewohner.

Dort freundet sich Lita mit der gleichaltrigen Oona McGregor an, sie ist die gehörlose Tochter der Besitzer des Seemannsheims. Die beiden Mädchen werden von Oonas Onkel unterrichtet, der eigentlich Tierarzt ist, aber mangels anderer Ärzte auf der Insel die Menschen gleich mitbehandelt. In diesem Stil bevölkern einige wunderbar originelle, meistens gutmütige, manchmal aber auch bösartige Charaktere den Roman.

Während Lita schnell auf Upper Puffin heimisch wird, wartet ihre Mutter auf die nächste Gelegenheit, um die sturmumtoste Insel mit ihren Holzschuh tragenden Bewohnern wieder verlassen zu können. Doch das ist gar nicht so einfach.

Und dann ist da noch Mr. Saito, der mit seinem Wanderkino Nachrichten und Filme zu den abgelegenen Orten vor der Küste bringt. Lange war er nicht mehr in Upper Puffin, und als er endlich auftaucht, beginnt für Lita und Oona eine Zeit der Wunder und Erkenntnisse.

Mein Fazit:

Die Atmosphäre des Romans ist sehr stimmungsvoll, die außergewöhnlichen Schauplätze projezieren lebendige, farbenprächtige Bilder vor das innere Auge. Die Figuren sind einfühlsam gezeichnet, die meisten haben spezielle Eigenarten. Mit ihren Ecken und Kanten wirken sie lebendig und liebenswert. Die Hauptthemen - die Suche nach Zugehörigkeit, Abschied und Neubeginn und der ständige Wandel im Lebensweg - werden sehr schön ausgearbeitet. Ich war beim Lesen öfter gerührt und habe die Protagonistinnen für ihren unerschütterlichen Optimismus bewundert.

Der Schreibstil ist flüssig und leicht lesbar, aber nicht seicht. An dieser Stelle möchte ich besonders die exzellente Übersetzung ins Deutsche von Dagmar Mißfeldt erwähnen. Ich habe das Buch in zwei Tagen durchgelesen und liege seitdem meinen Freundinnen damit in den Ohren, dass sie es unbedingt auch lesen müssen. Der große Seitenumfang täuscht, es ist kein Wälzer, an dem man lange nagt. Im Gegenteil, es geht viel zu schnell vorbei. Ganz besondere Leseempfehlung.