Ausgrenzungen im Privaten

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krani Avatar

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Vierzehn Kurzgeschichten, mitten aus dem Leben. Wir befinden uns im beginnenden zwanzigsten Jahrhundert in den USA. Es sind eher arme Leute, um die es hier geht, meistens Frauen, und immer sind es Schwarze. Es ist die Zeit der Rassentrennung. Die Autorin verstarb schon 1966 und wird erst jetzt (wieder-)entdeckt. Was für ein Fund!
Die Rassentrennung ist nicht ausdrücklich Thema des Buches, aber der Hintergrund jeder einzelnen Story. Es geht um Abhängigkeiten, Armut und Ausgrenzung. Und in einigen Fällen, nicht in allen, geht es um Unerhörtes: Da will eine schwarze Familie ihr Kind auf eine weiße Schule schicken. Da gehen vier schwarze Menschen in ein Restaurant, um zu Mittag zu essen. Und Winifred geht aufs College. Es ist erst wenige Jahre her, dass Rosa Parks sich weigerte, in einem Bus ihren Sitzplatz einem Weißen zu überlassen; damit nahm die Bürgerrechtsbewegung und letzlich das Ende der Rassentrennung ihren Anfang.
Der Stil der Autorin zeigt die Protagonistinnen aller Geschichten sehr authentisch. Wie sie sich fühlen in ihrem Alltag, wie sie leben und was sie denken, erscheint atmospärisch dicht und man kommt den Menschen sehr nah. Manche Geschehnisse überraschen, andere passieren heute noch: Da ist der Ehemann, der Frau und Kinder verlassen hat. Die Mutter, die mit ihren vier Kindern zum Arzt geht, um sie impfen zu lassen und dann dort im Wartezimmer sitzt und sitzt. Da ist die Frau, die die Tochter ihres Mannes aus dessen erster Ehe kennen lernt. Das sind heutige Geschichten ganz normaler Leute. Gerade dadurch wirkt der Rassismus noch bedückender.
Harte Kost. Aber großartige Literatur.