Beeindruckende Momentaufnahmen

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ver.le.sen Avatar

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Diese Kurzgeschichtensammlung zu lesen ist wie eine Schachtel Pralinen bekommen, die sorgsam nur mit den ausgewähltesten Exemplaren befüllt wurde.
Nach jeder Praline ist man traurig, dass es keine Tafel war.

Es ist schwer beeindruckend, dass Diane Oliver, die mit nur 22 Jahren starb, so jung solche Geschichten zu Papier bringen konnte. Wie kann eine junge Frau, die eigentlich fast noch eine Jugendliche ist, mit so viel Sensibilität, Direktheit und Klarblick schreiben? So fesselnd es auch ist, zugleich macht es traurig, denn die Antwort kann nur sein: indem sie selbst die systematische Unterdrückung und Menschenverachtung erlebte, die schwarzen Menschen in den USA der 60er Jahre entgegenschlug. Noch trauriger muss es uns alle machen, dass dies mehr als aktuell ist und das überall auf der Welt.

Olivers Blick auf die Misere ist unverstellt und sehr abwechslungsreich, verschiedenste soziale Szenarien bilden die Kulissen für ihre stories mitten aus dem Leben. Dabei lässt sie ihre LeserInnen in die Rollen von Schulmädchen auf Auslandsreise, gefälligseinwollende Hausfrauen oder verlassene Kinder schlüpfen.

Die Varianz ihrer Erzählungen und überzeugende Natürlichkeit ihres Schreibstils sind wunderbar. Sie lässt nichts aus und sagt nie zu viel, bleibt als Erzählerin dabei immer kontrolliert im Hintergrund. Beurteilen soll der/die LeserIn selbst. So soll eine Geschichte, die etwas in Herz und Hirn bewegen soll, mich erreichen.

Dass wir diese Stimme so früh verloren haben, ist ein riesiger Verlust. Immerhin kommt sie jetzt zum Klingen und ich kann nur jedem nahe legen, ihr zuzuhören.