Beeindruckendes Stück Zeitgeschichte

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nele2505 Avatar

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Ich muss ja zugeben, dass ich dieses Buch angefangen habe zu lesen, ohne auf den Klappentext zu achten. Ich begann also mit der ersten Kurzgeschichte, dann mit der zweiten, und irgendwann fragte ich mich, wie alt mag die Autorin sein? Und erst DA stellte ich fest, dass Diane Oliver bereits 1966 mit nur 22 Jahren ums Leben gekommen war. Und von da an habe ich die Geschichten mit völlig anderen Augen gelesen.

1966! Mitten in der Bürgerrechtsbewegung. Zwei Jahre VOR dem Tod von Martin Luther King. Ohne zu wissen, wie die Geschichte "ausgehen" würde. Wobei mir klar ist, dass Geschichte niemals "ausgeht", aber es ist immer etwas anderes, Dinge im Nachhinein zu beurteilen, so wie wir es jetzt mit dieser Zeit tun können, als während man sie durchleben muss.

Ich fand die Kurzgeschichten auch ohne dieses Wissen schon sehr gut. Aber mit diesem Wissen war ich von jeder einzelnen nachhaltig beeindruckt. Diane Oliver erzählt aus dem Leben Schwarzer Frauen in den unterschiedlichsten Situationen. Arm, reich, aktiv in der Bürgerrechtsbewegung oder sogar Gegnerin davon, Themen, die mit der Bewegung zu tun haben oder augenscheinlich eigentlich überhaupt nichts. An keiner Stelle merkt man, dass man hier 60 Jahre (!!!) Texte liest.

Eigentlich lese ich nicht gerne Kurzgeschichten, sondern lieber Romane. Ich habe mich gefreut, dass eine spätere Kurzgeschichte eine Person aus einer früheren Geschichte aufgriff. Grundsätzlich war es hier aber superspannend, kurze Mini-Einblicke in die verschiedenen Leben zu nehmen und einfach nur wie durch ein Fenster Situationen mitzuerleben, die grundsätzlich nirgendwohin führen müssen, sondern für sich stehen können. (Vielleicht mag ich mittlerweile doch Kurzgeschichten?)

Ich empfehle dieses Buch jedem, der sich nur ansatzweise für US-amerikanische jüngere Geschichte interessiert, auch wenn er/sie meint, keine Kurzgeschichten zu mögen!