Eine Geschichte um Verlust und Weitermachen

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rickyundmolly Avatar

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Das Buch hat mich von Anfang an sehr gefesselt. Als Leser wird man ja zu anfangs im Dunkeln gelassen, was denn überhaupt mit Simon, dem älteren Bruder, passiert ist. Man weiß lange Zeit nicht wie genau er umkam. Nur das sich sein kleiner Bruder Matthew die Schuld an dessen Tod gibt.
Nach und nach erfährt man die Lebensgeschichte von Matthew, durch die sich der Tod des Bruders natürlich wie ein roter Faden zieht. Simon, sein Bruder hatte Down-Syndrom und war sehr krank. Schon alleine deshalb lastete sehr viel Verantwortung auf den Schultern des 3 Jahre jüngeren Matthew. Zu viel ! Mit dem Tod des Bruders zerbricht auch ein großes Stück weit seine Familie. Denn vor allem die Mutter wird mit imons Verlust sehr schlecht fertig. Man merkt das deutlich wenn Matthew von der "Zeit danach" erzählt. Das sie Matthew aus der Schule nahm und sich praktisch mit dem Jungen zuhause verschanzt hat zeigt nur allzu deutlich ihre schon krankhaften Verlustängste. Hilfe bekam das Kind jedenfalls nicht um den Tod des Bruders zu verarbeiten. Mama war psychisch völlig neben der Spur und kaum in der Lage sich selbst zu bekrabbeln. Und deshalb ist es auch nicht verwunderlich das Matthew letzten Endes an Schizophrenie erkrankte (obwohl ich damit nicht sagen will das so eine Erkrankung immer Auslöser braucht, aber hier sehe ich doch Zusammenhänge). Und das macht die Erzählweise von Matthew sehr einzigartig. Denn wie er erzählt, von sich und seinen Tagesabläufen in der Klinik und im Alltag, sowie seinem Abhauen zwischenzeitlich gibt dem ganzen einen ungewöhnlichen, aber keinesfalls unsympathischen Touch. Im Gegenteil, der sogenannte Wahnsinn wird greifbar und vielleicht ein bisschen freaky aber irgendwie auch doch wieder nicht so weit weg vom "ganz normalen Wahnsinn" wie man vielleicht denken würde. Den Vergleich von diesem Buch mit dem "Supergute Tage...." Buch von Mark Haddon kann ich nicht nachvollziehen. Ja, beide Bücher sind von Hauptfiguren erzählt, die nicht der Norm entsprechen und beide gehandicapped sind. Aber Schizophrenie und Asperger-Syndrom sind nun wirklich absolut nicht miteinander zu vergleichen und es sind 2 völlig unterschiedliche Geschichten mit ganz anderen Themen. Falls man nicht der Meinung ist "Freak ist gleich Freak" findet man nicht den geringsten gemeinsamen nenner ;-).
Ein bisschen unrealistisch fand ich gegen Ende des Buches das Matthew das "kleine Mädchen mit der Puppe" vom Anfang des Buches später direkt wiederfindet. Andererseits, sie wohnte ja auf diesem Campingplatz und da Matthew gezielt dorthin zurückfuhr, auf den Spuren des tödlichen Unfalls des Bruders ist es dann doch nicht ZU weit hergeholt. So schliesst sich am Ende der Kreis. Matthew fuhr dorthin wo sein Bruder starb um ebenfalls dort zu sterben. Aber was er fand war dann doch das Leben. Das Mädchen vom Anfang und eine beginnende Freundschaft.
Ein wirklich schönes, spannendes, trauriges und ungewöhnliches Buch das ich nur empfehlen kann. Gerne würde ich wissen wie es noch mit Matthew weitergeht (obwohl die Geschichte rund um seinen Bruder ja abgeschlossen ist, sofern man das so sagen kann).
Toll gestaltet finde ich an dem Buch das die Schrift richtig darauf abgestimmt ist das Matthew oft auf einer alten Schreibmaschine schrieb. Man sieht es dann an relativ blasser Schrift mit der typischen Schriftart, die auch meine Uraltschreibmaschine immer hervorbrachte (da fehlte dann nur noch das es wie bei mir sich rot-Schwarz vermischte mit dem Farbband ;-) ). Ebenso das man an einer Stelle die Schrift kaum (okay so gut wie gar nicht) lesen konnte weil es dort nass geworden ist. Das kam sehr authentisch rüber !!!