Gefangen in seiner Kindheit

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daphne1962 Avatar

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Ein Klinikaufenthalt. Man kann sich nur schwer vorstellen, wie es sich wohl anfühlt in einer psychatrischen
Einrichtung zu sein. Tagtäglich bekommt man seine Medikamente verabreicht, wird beobachtet und
beobachtet selbst die Beobachter. Die Minuten streichen nur langsam voran, die Langeweile nimmt
überhand. Ein Tag gleicht dem Anderen.

Matthew Holmes ist einer von den Patienten und er versucht seine Zeit mit dem Schreiben seiner
Geschichte zu füllen. Denn für ihn ist sein Bruder immer allgegenwärtig und deshalb läßt er den Leser
teilhaben. Simon, der ältere Bruder mit dem Down Syndrom, fährt mit seiner Familie in den Urlaub auf einen
Campingplatz. Die Familie muss ohne Simon wieder nach Hause fahren, denn er verliert dort sein Leben.
An dem Drama, was der Leser allerdings nur spärlich erahnt, ist Matthew nicht ganz unschuldig.

Es ist so gut erzählt, wie Matthew sich seine Wahrheit zusammen bastelt um mit den Schuldgefühlen, die ihn
sein Leben lang im Unterbewußtsein plagen Herr zu werden. Da geht dann schon mal die Phantasie durch
mit ihm in seiner Vorstellungskraft, die so stark wird, das er Simon wahrzunehmen scheint. Matthew erzählt
auch nicht chronologisch, wäre bei psychisch kranken Menschen auch nicht normal, denn er springt gedanklich
quer durch die Jahre, was dem Leser hohe Konzentration abverlangt. Der Leser leidet mit Matthew und auch
seiner Familie, die versuchen ihm die Liebe zu geben, der sie noch in der Lage sind nach dem Schicksalsschlag.

"Als Simon noch lebte, konnte er wie ein Schwamm sein, der alle Aufmerksamkeit einsog.
Er machte das nicht mit Absicht, so ist das einfach bei Menschen mit besonderen
Bedürfnissen - sie verlangen ihrer Umgebung mehr ab."

Obwohl ein ernstes Thema, leben und leiden wir mit Matthew und wir versuchen uns in ihn hinein zu versetzen.
Wir wachsen mit ihm auf bis er ein junger Mann ist.

Der Autor Nathan Filer hat einschlägige Erfahrung mit und an der Arbeit mit psychisch auffälligen Patienten in solch
einer Klinik. Durch Besuche von einigen Kursen in kreatives Schreiben an einer Universität hat er gerlernt, einen
gewissen Spannungsbogen in seinem Debütroman zu halten, was beim Lesen des Romans sehr wichtig ist. Ich
wurde hier sehr gut unterhalten und ich denke auch in Deutschland wird dieses Buch noch für Diskussionsstoff
sorgen.