Meinen Sie wirklich, ...

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evelynmartina Avatar

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... ich würde meine Lebensgeschichte vor einem Fremden ausbreiten? (Zitat)

Was für ein Glück, Matt hat es getan, und sein „Erfinder“ Nathan Filer hat mit „Nachruf auf den Mond“ der teils ziemlich konformen und eintönigen Bücherlandschaft ein wirkliches Highlight beschert.

Während beiden der Leser wohl zwangsläufig fremd bleiben wird, erzählt Matt seine noch recht junge, aber nicht minder bewegte Lebensgeschichte auf solch einzigartige Weise, daß sich der Leser, je weiter er sich durch Matt's Erlebnisse und Gedanken bewegt, des Eindrucks nicht erwehren kann, auf einen ganz besonderen Menschen getroffen zu sein, der sich ohne Tabus öffnet und schließlich zu einem guten Bekannten wird.

Dennoch, Matt's Geschichte ist fiktiv, was zu glauben manchmal schwer fällt, so wahr und echt wird sie erzählt.
Der neunzehnjährige Matt, der stellvertretend für unzählige psychisch erkrankte Menschen stehen könnte, bringt zu Papier, was sich in seinem bisherigen Leben ereignet hat.
Durch einen tragischen Unfall, an dem er sich schuldig fühlt, verliert Matt im Kindesalter seinen älteren behinderten Bruder Simon. Danach ist nichts mehr, wie es einmal war, nicht in der Familie und nicht in Matt, der plötzlich überall Simon sieht und dessen Stimme hört. Die Seele von Matt hat sich abgespalten, wie die Diagnose Schizophrenie wörtlich übersetzt lautet. Es folgen ambulante und stationäre Aufenthalte in der Psychiatrie, verschiedene Therapien und medikamentöse Behandlungen. Aber gibt es ein Licht am Ende des Tunnels?

Nathan Filer, der selbst als Pfleger in der Psychiatrie gearbeitet hat, ist meiner Meinung nach ein außerordentliches Debüt gelungen, auf das sich der Leser allerdings einstellen muss. Nicht nur Themen wie Verlust, Trauer, psychische Krankheit, Themen, die nichts aussparen, sondern auch die ungewöhnliche Erzählweise fordern heraus. Zeit- und Gedankensprünge sowie einzelne, zusammenhanglos erscheinende Episoden fügen sich erst nach und nach zu einem schlüssigen Gesamtbild, wobei eine gewisse Grundspannung durchgängig gehalten wird.
Mit Matt hat der Autor zweifelsohne eine schier einmalige Figur geschaffen, die den Leser direkt anspricht und ihn ohne Umschweife, klug, liebenswert und erbarmungslos durch Höhen und Tiefen mitnimmt.

Seine Geschichte hat kein Ende, wie Matt ausdrücklich betont, trotzdem war leider irgendwann die letzte Seite gelesen, und ich blieb mit einem Kloß im Hals zurück.

Die Frage „Was sollen ihre Leser idealerweise aus der Lektüre mitnehmen?“ beantwortet Nathan Filer übrigens mit: „Den Wunsch, sie mit anderen zu teilen.“
Ich wünsche diesem Buch ganz viele Leser weltweit, denn Matt und Nathan haben es schlicht und ergreifend verdient.
Keep going on!