Spannender Einblick in eine verletzte Seele

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apomaus Avatar

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Das Wort "berührend" ist zu einem Modewort geworden, wenn man Buchrezensionen liest. Vieles von dem, was mich da angeblich berühren soll, ist allenfalls gefühlvoll geschrieben, aber es macht mit mir eigentlich gar nichts. Nathan Filer dagegen schafft es mit seinem "Nachruf auf den Mond" dagegen tatsächlich, mich zu berühren, so glaubwürdig, so ehrlich erscheint mir die wirre Gedankenwelt des Ich-Erzählers Matthew.
Matthew hatte einen Bruder, der behindert war. Simon, so hieß er, kam ums Leben, als beide noch Kinder waren und irgendwie hängt sein Tod mit seinem Bruder Matt zusammen - wie, das erfahren wir erst am Schluss des Buches. Aber Matt hat den Tod seines Bruders nicht verkraftet, genausowenig wie der Rest der Familie. Daher landet er in der Psychiatrie. Die Schilderung des Alltags in der geschlossenen Abteilung ist schon für den Leser schwer zu ertragen. Der Ich-Erzähler lässt uns immer wieder an seinen Gedanken und auch an seinen Seelenqualen teilhaben, manchmal erscheint die Erzählung klar und verständlich, dann wieder verworren und undurchsichtig - so erhalten wir einen Eindruck vom Leben mit einer psychischen Überlastung.
Ein Buch, das mich nicht kalt gelassen hat. Nichts, was ich mal eben in einem Rutsch durchlesen konnte, manchmal habe ich eine Pause gebraucht in diesem Wirbel aus Realität und Alptraum, aus enttäuschter Sehnsucht nach (Mutter-)Liebe, aus Reue und Trauer, die kein Ventil findet. Der große Vorteil des Lesers gegenüber dem Erlebenden: ich konnte mir eine Auszeit gönnen.
Insgesamt eine bereichernde Lektüre, im besten Sinne des Wortes "berührend". Spannend zu lesen und unbedingt empfehlenswert.
Den Namen Nathan Filer werde ich mir sicher merken.

Übrigens auch eine schöne Ausstattung, ein Buch, das man gerne zur Hand nimmt und das daran erinnert, dass ein e-Reader eben nur ein schwacher Ersatz für ein echtes Buch sein kann.