Kunstvolle Atmosphäre, die zwischen Unheimlichkeit und Faszination oszilliert

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Der Roman „Nachtlügen“ von Lisanne Surborg entführt in eine faszinierende, dunkle Welt, getragen von einem modernen mythologischen Ansatz rund um Nachtalben.
Die Protagonistin Isra Abendroth, eine Albin, die zwischen der Ernte von Lichtträumen und der Erschaffung von Albträumen pendelt, ist ein faszinierender Charakter. Sie muss für ihr Überleben Menschen ihre Träume stehlen und dafür Albträume einpflanzen. Ihre innere Zerrissenheit und der Konflikt zwischen ihren persönlichen Traumata und den gesellschaftlichen Normen der Albgemeinschaft werden gut skizziert, trotzdem bleibt Isra eine schwer fassbare Figur. Ihre Entwicklung bleibt emotional bisweilen distanziert, was eine tiefere Identifikation erschwert. Die Ambivalenz ihrer moralischen Haltung und die Unsicherheit, die sie zu einem komplexen Charakter machen, tragen zwar zu einer interessanten Spannung bei, doch werden ihre emotionalen Reaktionen nicht so intensiv ausgebaut. Ebenso ist anzumerken, dass die Erzählweise gegen Ende hin an Kohärenz verliert, ein wenig sprunghaft ist und einige Wendungen in ihrer Ausführung ein wenig abrupt und inkonsistent wirken.
Trotz dieser gewissen emotionalen Distanziertheit besticht Nachtlügen durch die kunstvolle Erzeugung einer Atmosphäre, die zwischen Unheimlichkeit und Faszination oszilliert. Besonders beeindruckend ist dabei das detaillierte System aus Regeln und Hierarchien, das Surborg rund um die Ernte von Träumen und Albträumen etabliert, welches der Geschichte eine fast schon wissenschaftlich angehauchte Tiefe verleiht. Besonders hervorzuheben ist ebenso die Erzählstruktur, die durch gelegentliche Unterbrechungen bereichert wird. Diese fiktiven Einschübe in Form von Protokollen und Berichten usw. bieten weitere Perspektiven auf die Welt der Nachtalben. Der Schreibstil lässt sich sehr gut lesen und ist teilweise recht bildhaft. Das Cover des Werkes spiegelt die dunkle und geheimnisvolle Atmosphäre des Romans hervorragend wider und mir gefällt die Farbkombination auch sehr gut. Mir hat gefallen, dass es sich um einen Einzelband handelt.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Nachtlügen ein gelungenes Werk darstellt samt origineller Thematik darstellt. Lisanne Surborg beweist ein Gespür für atmosphärische Dichte und präsentiert mit Nachtlügen eine spannende Erzählung mit Einflüssen aus der Mythologie und Traumforschung. Ein empfehlenswerter Roman für all jene, die sich auf eine düstere und geheimnisvolle Reise in eine Welt voller Träume und Albträume einlassen möchten.