Eine ganz besondere Nachtschwärmerin

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Dieser Debutroman der us-amerikanischen Schriftstellerin Leila Mottley erzählt die Geschichte der siebzehnjährigen Kiara, die elternlos und ohne Unterstützung ihres realitätsfernen Bruder gegen die drohende Obdachlosigkeit kämpft. In einer heruntergekommen Wohngegend in East Oakland, Kalifornien, umgeben von Kriminalität, Drogensucht und Verwahrlosung scheint es bald keinen anderen Ausweg mehr zu geben, als den eigenen Körper zu verkaufen.

Gestaltet ist das Cover des Romans in harmonischen, warmen Farben. Es zeigt eine junge, farbige Frau in Rückansicht und vermittelt mit dem Titel "Nachtschwärmerin" den Eindruck, als handele es sich um ein ausgelassenes, lebensfrohes und sorgenloses Disko- und Partyhopping einer hippen Afroamerikanerin. Doch dieser Eindruck täuscht gewaltig. Gewollt? Darüber ließe sich nur spekulieren.

Leila Mottley wuchs selbst in Oakland auf und lebt dort auch heute noch. Ihr Roman wurde von einer wahren Begebenheit inspiriert, die sich im Jahr 2015 in ihrem Heimatort ereignete. Ein schwieriges Unterfangen, eine schmale Gratwanderung.
Die Themen, die behandelt werden, sind bitter: Armut, Rassismus, Drogensucht, Verwahrlosung eines Kindes, Tod, Kriminalität, Sexarbeit, Manipulation, psychischer Missbrauch - um nur einige zu nennen. Und dennoch: während ich diese Rezension schreibe frage ich mich, warum dieser Roman so leicht zu lesen ist. Er ist nüchtern, fast emotionslos, mit der Ich-Erzählerin Kiara. Und sie ist etwas besonders, macht die Lektüre des Romans "einfach" - trotz der düsteren Themen und brutalen Geschehnisse. Kiara jammert nicht, Kiara zerbricht nicht, Kiara kämpft, hat Mut, Power, eine Vision, Würde, Stolz, Vertrauen. Sie ist gerade einmal siebzehn Jahre alt und zeigt sich reifer, stärker und vernünftiger als jeder erwachsene Mann, dessen Weg sie in der Geschichte kreuzt. Sie tut, was die tun muss. Weil es keinen anderen Weg gibt. Sie kämpft gegen den Verlust der Mietwohnung und wird nebenbei zur Ersatzmutter für den zehnjährigen Nachbarsjungen Trevor. Wie verletzt, gedemüdigt, traumatisiert und gebrochen sie wirklich am Ende des Romans aus den Erlebnis herausgeht, kann man nur erahnen.

Es gibt zahlreiche Nebenfiguren, die Kiara kontrastieren und einen möglichen Weg zeigen, den sie hätte einschlagen können: Egoismus (ihre Mutter), träumerische Realitätsflucht (ihr Bruder), Drogensucht (Nachbarin Dee), Selbstschutz (Onkel Ty), um nur einige zu nennen. Leila Mottley hat mit Kiara eine Person geschaffen, die besonnen genug ist, in einer solchen Situation und mit diesem Backround Schadensbegrenzung zu betreiben.

Der Roman lässt sich ganz klar empfehlen! Vor allen Dingen für Leser:innen, die sich für Genderthematik, Armut, Rassismuss eingebettet in die us-amerikanische Kultur und Gesellschaft interessieren!