Beängstigend spannend

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tine1211 Avatar

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Nachtwild von Gin Phillips

Joan und ihr kleiner Sohn Lincoln verbringen einen wundervollen Tag im Zoo. Es ist schon spät und sie beeilen sich, damit sie den Zooausgang noch vor der Schließung erreichen, als sie plötzlich Schüsse hört. Am Ausgang liegen Tote und plötzlich steht einer der Täter mit einem Gewehr und ihr den Rücken zugewandt vor ihr. Sie weiß nicht, ob die Polizei auf dem Weg ist und flüchtet sofort mit ihrem Sohn in ein leer stehendes Gehege. Ihr Leben und das ihres Sohnes hängen nun von ihr ab und jedes Geräusch und jede Bewegung kann tödlich sein. Denn die Jäger sind hinter ihrer Beute her.
Wenn man sich in die Situation hineinversetzt, in der man einen wundervollen Tag im Zoo verbringt und nur wenige Stunden um sein Leben rennen muss und Leben oder Tod davon abhängig ist, wie gut man sich verstecken kann, ist diese Situation überaus beängstigend. Genau das ist, was Gin Phillips in ihrem neuen Thriller erreichen will. Sie erzeugt aus einer harmlosen Alltagssituation einen absoluten Albtraum, der jeden Menschen jederzeit treffen kann. Der Schreibstil ist so fesselnd, dass der Leser sich so gut hineinversetzen kann, als wäre er selber im Zoo. Ich habe bereits von Beginn an mit Joan mitgelitten und erwischte mich oft dabei, wie ich Lincoln am liebsten den Mund zugehalten hätte. Einemvierjährigen Kind klar zu machen, dass es keine Geräusche machen darf, ist real fast unmöglich.
Es gibt nicht viele Bücher, die ich in einem Tag vollständig durchlese, aber genau dies ist auch bei Nachtwild passiert. Bis auf 30 Seiten, die ich unfreiwillig erst am Folgetag beendet habe, habe ich nach Feierabend begonnen und kam aus der Geschichte einfach nicht mehr heraus. Ich hätte auch die letzten Seiten noch gelesen, wenn mein Wecker nicht so früh klingeln würde und es nicht schon so enorm spät gewesen wäre. Nachtwild vermittelt ein wenig von dem Horror, wie es bei Amokläufen den Opfern ergangen sein muss. Das Buch ist einfach geschrieben, sodass jeder der Story problemlos folgen kann.
Ganz ohne Kritik geht es leider dennoch nicht. Die Geschichte, die überwiegend aus Verstecken besteht und der Todesangst, entdeckt zu werden, hätte an manchen Stellen mehr ausgebaut werden können. Für sein Alter war der Sohn in dieser Sitaution sehr folgsam, was in der Realität wohl eher seltener passiert.Schreien, weinen und toben wären sicherlich naheliegender gewesen. Hier hätte man die empfundene Angst wesentlich mehr ausbauen können. Auch ist am Ende nicht ganz klar, wer von den Überlebenden es bis zum Schluss geschafft hat. Das Ende kam sehr plötzlich und schnell. Mich hätte interessiert, warum die Täter zu diesem Schritt gegriffen haben, was die Motivation dazu war und wieviele Menschen und Tiere zu Schaden kamen. Diese Antwort ließ sich leider nicht wirklich abschließend klären.
Für mich war das Buch dennoch ein absolutes Highlight zum Feierabend.
Natürlich empfehle ich es gerne weiter und vergebe 3 von fünf Sternen.
Erschienen im dtv Verlag 2018
ISBN 978-3-423-26196-8
302 Seiten
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