Gefährlich ist's, den Leu zu wecken

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tochteralice Avatar

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Verderblich ist des Tigers Zahn;
Jedoch der schrecklichste der Schrecken,
Das ist der Mensch in seinem Wahn.

Das wusste schon Friedrich Schiller und Joan erfährt es aufs Schmerzlichste, als sie, unterwegs bei einem spätnachmittaglichen Zoobesuch mit ihrem kleinen Sohn Lincoln auf einmal Schüsse hört! Ihr ist ziemlich schnell klar, dass es Terroristen sind, die es auf die Zoobesucher abgesehen haben. Sie versteckt sich und den Kleinen in einem leeren Tiergehege, in dem sie lange ausharren. Allerdings nicht lange genug...

Von 16:55 bis 20:05 Uhr dauert ihre Tortur - ebensolange, wie dieser Roman, ein Psychothriller der subtilsten Sorte. Besonders eindringlich ist der Autorin die Passage gelungen, in der Joan versucht, der Situation Herr(in) zu werden, indem sie sie bzw. ihren Gegner einzuschätzen versuchte, was sich ebenfalls eher unterschwellig abspielt und genau dadurch so realistisch wirkt. Doch vollzieht Joan diverse Handlungen, die unlogisch wirken, gerade auch in einer solchen Situation, den möglichen Tod für sich und - schlimmer noch - den kleinen Sohn vor Augen. Klar, man weiß nie, wie jemand in einer solchen Situation reagiert, vor allem, wenn man wie ich selbst noch nie etwas Vergleichbarem ausgesetzt war - gottseidank! Aber Joans Handlungen wie auch die anderer Figuren wirken teilweise ganz und gar abwegig aus meiner Sicht.

Außerdem wurde das Setting "Zoo" meiner Meinung nach viel zu wenig ausgereizt - die Tiere, die Dämmerung, dann die Dunkelheit - da hätte man wesentlich mehr draus machen können! Im Gegensatz zum Lebewesen Mensch wurde dem Lebewesen Tier hier nicht genügend Beachtung geschenkt!

Insgesamt jedoch gefällt mir der Stil der Autorin, ihre zutiefst menschliche Zuwendung zum Thema, die von Susanne Goga-Klinkenberg überaus stimmig übersetzt wurde. Die bedrohliche Atmosphäre der Stille, die plötzlich einsetzenden Geräusche - das Buch befriedigt - zumindest in meinem Falle verschiedene Sinne, weil ich mir alles so bildhaft vorstellen und auch die Geräuschkulisse vor meinem "inneren Ohr" sehr gut abspulen konnte. Alles in allem ein gelungener Psychothriller mit kleineren Macken