Coming-of-age

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mammutkeks Avatar

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Auch nach der Lektüre dieses wunderschönen Buches erschließen sich mir weder Cover noch Titel. Und ich bleibe dabei, dass ich das Buch allein aufgrund seines Covers nicht kaufen würde. Aber es zeigt sich, dass hinter dieser eigenartigen Fassade etwas ganz Besonderes steckt. Eine lustige, skurrile und zum Nachdenken anregende Geschichte rund um den Ich-Erzähler Jannik und um Tai, seinen still und heimlich verehrten Mitschüler – von den anderen liebevoll „Fetti“ und „Fidschi“ genannt.
Jannik ist 16, übergewichtig, äußerst musikalisch und – wie er zwar sich, nicht aber seiner Umwelt eingesteht – schwul. Seine Leidenschaft ist die klassische Musik – und Ranisch gelingt es meisterhaft, diese in Worte zu fassen. Ich hab immer wieder überlegt, ans CD-Regal zu treten, um zu schauen, ob ich vielleicht eines der Stücke in meiner – zugegebenermaßen sehr kleinen – Klassik-Sammlung finde. Allein für die Beschreibungen der Musikstücke lohnt sich „Nackt über Berlin“!
Die Hauptstory hingegen – die „Entführung“ des Schuldirektors Jens Lamprecht in seine eigene Wohnung – ist für mich zweischneidig. Auf der einen Seite finde ich die Situation einfach skurril und wenig nachvollziehbar, auf der anderen Seite fasziniert mich der dahinter stehende Gewissenskonflikt, die Frage nach dem „richtig“ oder „falsch“. Und irgendwie ist ja auch eine solche Situation in den Zeiten von „Smart Home“ und Co. möglich. Gut gelungen sind auf jeden Fall die Passagen, die aus der Innensicht von Lamprecht erzählt werden – hier nutzt Ranisch auch eine andere Sprache, eine „erwachsenere“ Sprache.
Der Roman „Nackt über Berlin“ hat eigentlich wenig mit meiner Lebenswelt zu tun – und doch hat er mich mehrere Stunden gut unterhalten, zum Lachen und auch zum leichten Weinen gebracht, mich zum Nachdenken angeregt und dazu, mich vielleicht doch einmal mehr mit klassischer Musik – und nicht mit dem Pop-Gedüdel aus dem Radio – zu beschäftigen.